Es gibt die neue politische Initiative #brauchtBewegung. Sie will “für Gerechtigkeit und Demokratie” zur Bundestagswahl antreten.
Ich denke schon länger darüber nach, ob es nicht an der Zeit wäre, eine neue politische Bewegung zu starten, um dem Rechtsruck etwas entgegen zu setzen:
Manchmal glaube ich, es wäre an der Zei für eine neue politische Bewegung. Und dann denke ich an das letzte gescheiterte Experiment. — Gero Nagel (@zweifeln) January 7, 2017
Dies ist eine Manöverkritik. Ich finde die Idee wirklich gut, neue Bewegung in den Politikbetrieb zu bringen - aber nicht so.
Laura Dornheim meint, dass eine neue Partei keine Lösung ist und auch ich sehe da ein großes Problem mit einer neuen Partei.
Antje Schrupp hat aufgeschrieben, warum es wichtig ist, eine der großen fünf Parteien zu wählen - und argumentiert damit indirekt auch gegen #brauchtBewegung.
Mir erscheint, als wäre den Organisator*innen von #brauchtBewegung nicht so richtig klar, wie Politik funktioniert. Die deutsche Piratenpartei hat durchaus viel bewegt - auch wenn (mit Ausnahme von @twena) nie in irgendeiner Regierungsverantwortung. Der große Erfolg der Piratenpartei, war, dass alle Parteien gesehen haben, dass es ein Momentum für Netzpolitik gab. Transparenzgesetze wurden geschrieben, Internetzensur gestoppt und der Datenschutz hat eine neue europäische Verordnung bekommen. Selbst die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung kam erst, als die Piratenpartei schon weitgehend bedeutungslos war. Das Druckmittel hatte sich aufgebraucht.
Die AfD hat gerade Bundespolitisch sehr viel Erfolg, weil alle Parteien meinen, dass sie mit deren Agenda Stimmen gewinnen könnten. Horst Seehofer scheint mit der CSU die AfD noch rechts überholen zu wollen, aber wie Michael Spreng schon im Mai 2016 schrieb, wird diese Strategie nicht funktionieren. Piratenanhänger wollten immer lieber Piraten wählen (bis sie sich selbst kaputt machten), AfD-Anhänger wollen ihr Original, die AfD, wählen.
Der Punkt ist: Wer die Deutungshoheit hat, kann Politik beeinflussen. Unabhängig von formalen Ämter oder Mandaten.
Erfolgreiche politische Organisationen entstehen aus Momentum heraus. Der Plan “wir wollen in den Bundestag” ist ein schlechter. Politische Ziele sind kein “wir wollen ins Parlament”, sondern sind “wir wollen $konkretesThema”. Wenn das Momentum da ist, verändert sich die Politik insgesamt - und dann ist der Zeitpunkt zu gucken, wie das politische Ziel am besten zu erreichen ist.
Wer von Anfang an gegen die anderen Partein antritt, macht sich diese zum Feind. Wer eine große Bewegung ist, wird von den Parteien umworben, weil alle die Stimmen wollen. Selbst für Wahlen anzutreten, halte ich erst für sinnvoll, wenn klar ist, dass die Bewegung von keiner vorhandenen Partei aufgenommen wird. Solange das nicht der Fall ist, sollte die Öffentlichkeit genutzt werden, um die vorhandenen Parteien in die eigene Richtung zu schieben.
Martin Oetting schreibt, dass #brauchtBewegung eigentlich das gleiche will, wie die SPD. Wenn dem so ist, halte ich es für sehr klug, dass sehr laut zu sagen und sich von der SPD einladen zu lassen. Katharina Barley arbeitet als Generalsekretärin gerade hart daran, die SPD zu öffenen, siehe #openSPD. Mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat hat die SPD einen klaren pro-Europäer, der ansonsten bundespolitisch noch recht unbeschrieben ist. Was seine Themen für den Wahlkampf sein werden, ist noch offen. Wenn es gerade irgendwo eine relevante Option gibt, die deutsche Politik vom Rechtsruck zurück in die Mitte, vielleicht sogar nach links zu schieben, dann mit der SPD. Da kommt es auf uns an, die wir uns eine linkere Politik wünschen, laut und deutlich die SPD zu einem linken Kurs zu zwingen.
(Die Linkspartei mit Spitzenkandidatin und Russlandfreundin Sahra Wagenknecht, die offensichtlich eine Querfront mit der AfD gegen Merkel bilden will ist keine Option. Und auch die Grünen, die ihrer Vorsitzenden Simone Peter offen in den Rücken fallen, als diese rassistische Maßnahmen der Kölner Polizei anmahnt, scheinen gerade keine linke Politik machen zu wollen.)