Google hat <a href”http://www.google.de/campaigns/deinnetz/”>eine Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht</a> ins Leben gerufen und vermischt damit (ich behaupte bewusst) ihre eigenen Interessen und die, der LSR-Gegner. Ich finde das Leistungsschutzrecht für Presseverlage schwierig, wenn nicht gar falsch. Aber, ich sehe da durchaus auch sinnvolle Idee drin, denn auch ich halte ein Urheberrecht grundsätzlich für hilfreich.
Mich jetzt weiter gegen das Leistungsschutzrecht zu engagieren, ist quasi unmöglich, ohne Google zu unterstützen. Ja, ich nutze Google, allerdings bezeichne ich mich eher nicht als Fangirl. Genau genommen finde ich die Art und Weise, wie Google seit Jahren die Netzszene lobbyiert schwierig. Ich war selbst Experte in der 6. Initiative des IG Collaboratory und schon da, war mir ein bisschen unwohl. Nein, Google hat keine Inhalte vorgegeben und auch keinerlei Klauseln unterschreiben lassen. Zudem ist nachvollziehbar, dass das Collab quasi ausschließlich von Google finanziert wird und wer im Lenkungskreis von Google kommt.
Billige “Google macht Lobbyismus”-Vorwürfe greifen nicht. Google lobbyiert in sehr vorbildlicher Form - transparent. Google nimmt aber seit Jahren die Netzszene immer weiter für sich ein. Der Collab-Thinktank vereinnahmt natürlich die Experten. Mir hat niemand gesagt, ich dürfe nicht schlecht über Google schreiben und doch fällt es sehr schwer, den Leuten, die mir helfen, aktiv zu sein und möglichst viel erreichen zu können, auf die Finger zu hauen. Ich möchte auch explizit niemanden persönlich beschimpfen. Alle Google-Mitarbeiter, mit denen ich bisher zu tun hatte, haben sich vorbildlich verhalten und keinen möchte ich böse Absichten vorwerfen. Und doch nervt es mich, wie Google uns vereinnahmt - und sie es uns schwerer machen, uns von ihnen loszusagen.
Das System Google kotzt mich trotzdem an. Und zwar gewaltig. Es nervt mich, wie es zum Standart wird, Google zu nutzen. Wie es normal wird, für Google zu kämpfen. Und vor allem nervt mich, wie Google zunehmend unseren Staat außen vor lässt. Ich halte mich für einen durchaus staatskritischen Menschen, aber unser Staat ist zumindest grundsätzlich demokratisch legitimiert. Google ist ein Konzern und Google tut, was Google Geld einbringt. Jede “nette Gabe” ist auch eine Imagekampagne für einen Konzern, dem es darum geht, Geld zu verdienen.
Ich habe Angst davor, dass wir in 10 oder 15 Jahren unsere Staatsmacht an Provider verloren haben, auf die wir keinen Einfluss mehr haben. Ich sehen große Probleme darin, dass wir uns nicht nur auf das geborgte Internet vor Google verlassen, sondern sie auch anfangen unseren Interessen zu vertreten und ein Stück weit unser neuer Staat werden. Und ich möchte, dass wir uns von Google in aller Deutlichkeit lossagen - und das Leistungsschutzrecht trotzdem nicht kommen wird. Pfui Google! Pfui Leistungsschutzrecht!
Kommentare
von: Nicolai
Oberlehrerkommentar:
Standard ist ein 2D-Wort!
Es nervt mich, wie es zum Standart wird, Google zu nutzen.
von: V.
Ich wäre hingegen gar nicht traurig, wenn wir in 10 oder 15 Jahren unsere Staatsmacht verloren haben. Letzlich schützt die Staatsmacht nämlich immer das Kapital - also auch Google.
Vorweg: Vielen lieben Dank an @rya für das 2. Augenpaar!
Lange zögerte ich, in die Piratenpartei einzutreten, weil ich Parteien lange Zeit nicht für die richtige Organisationsform hielt, etwas an der Welt in die richtige Richtung zu schieben. Seit jeher geben mir Parteien ein merkwürdiges Gefühl (Nicht nur die Piraten, auch die Grünen fühlten sich merkwürdig an, als ich bei Malte Spitz Praktikant war).
Was genau das war, konnte ich lange nicht in Worte fassen und war nur ein diffuses Gefühl von “was passiert da komisches?”. Im April bin ich den Piraten beigetreten, weil ich glaubte, diese Partei sei die Institution, die die Macht habe, unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern - zu einer toleranteren, offeneren und politischeren Gesellschaft. In der Piratenpartei sah ich viele Menschen, die sehr ernsthaft an einer neuen Gesellschaft arbeiteten und ich vernahm die Hoffnung, dass dies gut ausgehen könnte - und wollte ihr dabei helfen. Schließlich kandidierte ich für den Landesvorstand und wurde auch gewählt. Ich übernahm den Geschäftsordnungsbereich Liquid Feedback und kümmere mich seither organisatorisch um Liquid Feedback, das von den Piraten eingesetzte Liquid Democracy-Tool. Ich halte dieses Tool für unglaublich mächtig und bin überzeugt davon, dass es der Gesellschaft Gutes tun kann.
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, was mich so lange von Parteien ferngehalten hat. Es ist die Konkurrenz. Parteien sind konkurrierende Institutionen - sowohl die Parteien untereinander als auch parteiintern. Und ich habe damit ein Problem. Nein, Konkurrenz ist nicht per se schlecht, doch kann Konkurrenz durchaus merkwürdige Züge annehmen. Seit Jahren schleicht sich zunehmend der Neoliberalismus in die Gesellschaft und die zwischenmenschliche Konkurrenz wird stärker. Das Abitur wurde auf 12 Jahre verkürzt, damit die Schüler international konkurrenzfähiger seien.
Es wurden Bachelor und Master eingeführt - Masterplätze begrenzt, ein heftiger Konkurrenzkampf um die Masterplätze entsteht - z.T. werden wichtige Bücher in Bibliotheken zerstört, um strategische Vorteile zu bekommen. Hartz4 wurde eingeführt und Geschichten über faule Sozialschmarotzer werden erzählt, wie sie uns auf der Tasche liegen.
Mit dem Refugeecamp auf dem Pariser Platz beginnt gerade ein längst überfällige Flüchtlingsdebatte. Seit Jahren werden die Außengrenzen Europas verstärkt, das Mittelmeer durch Agenturen wie Frontex komplett überwacht, Flüchtlingsboote zum Umkehren aufgefordert - auch auf die Gefahr hin, dass sie kentern könnten. Zugleich nehmen internationale Spekulationen massiv zu, die Schere zwischen Arm (und häufig weniger gebildet) und Reich (häufig mit viel Geld jede Bildung erkauft) nimmt zu. Selbst Lebensmittel werden verspekuliert - und mit der Subventionspolitik der EU auch gebilligt, wenn nicht gar gefördert.
Die insbesondere in der Piratenpartei sehr heftige Auseinandersetzung um eine mögliche Frauenquote sehe ich ebenfalls für ein Symptom dieser zunehmend konkurrierenden Gesellschaft. Slogans wie “Kompetenz statt Geschlecht” führen dazu, dass Männer massiv gefördert werden - mit der nahe liegenden Folgerung, dass Frauen inkompetent seien. Es setzt sich durch, wer das Spiel der Konkurrenz besser beherrscht und sich weniger um andere kümmert - und dies sind häufig Männer. Die Diskussion, dass die Quote nur die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft ist ein Henne-Ei-Problem. Wenn wir gute Leute, die auch auf andere Acht geben haben wollen, wie können wir dies durchsetzen, wenn wir keinen geschützten Raum anbieten? Und wenn Frauen häufiger im Konkurrenzkampf nachgeben, ist dies nur ein weiteres Argument dafür, dass wir mehr Frauen auf allen Ebenen brauchen. Im Zweifel für die Quote.
Alle Menschen, die sich irgendwo angreifbar machen, werden angegriffen.
Johannes Ponader wagt sich häufig weit aus der Deckung heraus, um auch progressiv neue Themen zu besetzen und ist regelmäßig Ziel eines Shitstorms. Ähnlich sehe ich es auch mit Julia Schramm, die immer wieder provokant auftritt. Ich finde dies gut und wichtig.
Auch in dem Fall Marina Weisband und dem Spiegel sehe ein krasses Konkurrenzproblem. Marina ist ohne Frage das bekannteste Gesicht der Partei und hat eine sehr ausgewogene Art, Themen vorzubringen, ohne sich dabei zu weit vor zu wagen. Damit ist (war?) sie sehr erfolgreich und ich nehme einen sehr massiven Neid ihr gegenüber wahr. Insbesondere die Erwiderung von Merlind Theile kommt in einem sehr schnippischen Ton daher, die jegliche inhaltliche Auseinandersetzung unterbindet. Die Schlussfolgerung von ihr, dass die Piraten nun ihre eigenen Ziele mit Füßen treten, versucht die Debatte als Parteidebatte abzutun und den Piraten Versagen vorzuwerfen.
Ich halte diese gesamte Aktion für ein billiges “Klicks generieren”. Die Piraten selbst nehmen derartige Artikel immer wieder zum Anlass, ausführlich drüber zu debattieren und sorgen damit für eine massive Öffentlichkeit für solche Artikel, statt sie einfach zu ignorieren. Sie sind Teil des Konkurrenzkampfes.
Jegliche Personaldebatten sind Konkurrenzdebatten. Ich halte es für vollkommen irrelevant, wer welche Position in welcher Partei (oder auch außerhalb der Partei) inne hat. Es geht darum, wo was passiert, was die Gesellschaft in die tolerantere, offenere und politischerere Richtung schiebt. Debatten, wie sie gerade um Birgit Rydlewski geführt werden (Ob Politiker auch anzügliche Dinge twittern dürfen oder nicht) ist für mich ein massiver Einschnitt in das, was ich mir von der Partei erhoffe. Es ist eine offene und authentische Äußerung von Birgit, sich auch zu langen Sitzungen zu äußern.
Wenn Medien dies hochstilisieren, ist dies ein Medienproblem und keins von Birgit. Niemand wird gezwungen, ihr auf Twitter zu folgen und zu lesen, was sie so von sich gibt. Wenn die Bild oder SPON derartige Themen aber aufgreifen und mit pseudomoralischen Ansichten kommen, dass dies schlecht sei, ist das eine Verdrehung unserer Ansichten. Wir (ich jedenfalls) kämpfe in der Piratenpartei dafür, dass auch solche Äußerungen fallen dürfen, ohne, dass es zu einem Gate hochstilisiert wird.
Dass es dennoch immer wieder zu einem Gate hochstilisiert wird, nehme ich sehr verzweifelt wahr. Ich habe inzwischen auch hier die Vermutung, dass es um einen insgeheim ausgetragenen Konkurrenzkampf geht - und nicht mehr um die eigentlichen Inhalte. Wer beginnt einzelne Köpfe heraus zu picken und zu bekämpfen (innerhalb und außerhalb der Partei), gibt sich diesem Konkurrenzkampf hin. Wenn wir nur noch unfehlbare oder verschlossene Politiker hervorbringen, die sich der Gesellschaft, deren Medien mit prüden Ansichten versuchen die Bewegung klein zu halten, haben wir den Kampf um eine offenere, tolerantere und politischere Gesellschaft verloren.
Der Kampf beginnt intern mit den Diskussionen um den Bundesvorstand, um einzelne Abgeordnete und damit, wie wir “nach außen” wirken wollen. An dem Punkt, wo uns die Außenwahrnehmung wichtig wird, als unsere Inhalte, haben wir uns dem Konkurrenzkampf der alten Parteien unterworfen und spielen ihr Spiel mit. Ich hoffe, dass wir damit wieder aufhören und wir uns dazu äußern, was uns und nicht irgendwelchen Medien wichtig ist und uns nicht einzig und allein der Konkurrenz wegen streiten.
Auf der OpenMind in Kassel habe ich einen Vortrag über Algorithmen gehalten. Im Nachgang wurde mir bewusst, dass
es eigentlich gar nicht um Algorithmen geht, sondern um ein Menschenbild und eine Idee, wie Menschen so sind, geht.
Ich fand den Talk und vor allem die Diskussion im Nachgang echt gut.Darum gibt es den jetzt auch hier:
Ein ganz herzlichen Dank an die großartigen Menschen, die auf der OpenMind waren, und vor allem an all die Menschen, die die OpenMind durch vieeeeel Arbeit ermöglicht haben. Danke!
Ich war 3 Wochen offline in einer Kleinstadt in Frankreich und habe mich so gut gefühlt, wie seit Monaten nicht mehr. Ich bin 2 Tage zurück in Berlin und fühle mich schlecht. Und ich glaube, es hat mit Umgangsformen zu tun, über die ich schon seit Monaten nachdenke, aber mir die Intensität erst jetzt bewusst wird. Der Text ist ad-hoc entstanden und möglicherweise habe ich viele Dinge dabei vergessen.
Das Smartphone ist eine wunderbare Erfindung. Die Arbeitserleichterung lässt sich kaum in Wörter packen. Egal, ob ich beim Trampen eine Karte brauche, das günstigste Hostel in Laufnähe suche oder zwischendurch wichtige Mails beantworten kann. Es ist verdammt praktisch und möchte es nicht missen - und doch ist es ein riesiges Problem. Es macht uns unfrei. Wenn es piept, gehen wir ran. Die allermeisten Menschen tun dies immer.
Wenn sich zwei Menschen miteinander sprechen, und das Handy piept oder blinkt, wird die Konversation unterbrochen für etwas, das warten kann. Immer. Wir aber (und ich nehme mich da nicht aus) gucken doch mal kurz, was da eigentlich blinkt. Das wir in eben diesem Moment unsere Konzentration vollkommen auf das Smartphone gerichtet ist, statt auf den Menschen, mit dem wir eigentlich reden, wird uns häufig nicht mal bewusst. Es ist eine zu tiefst unsoziale Handlung, die wir tätigen. Und (und das ist der Knackpunkt), wir tun diese Handlung des Missachten der anderen Person nicht einmal als bewussten Akt, sondern wir lassen uns von dem Blinken(!) eines Gerätes dazu verleiten, so unsozial zu handeln. Kaum eine Person möchte bewusst so unsozial handeln, aber das Smartphone, sowie ein diffuses Gefühl von “das machen wir alle so und darum ist es richtig” verleiten uns dazu.
Nerds sind sozial inkompetente Menschen. Nerds wollen sich lieber Technik zuwenden, als Menschen. Das ist die Definition des Nerd. Dazu kommt, das es inzwischen cool, oder “hip” ist, Nerd zu sein. Ein diffuses Gefühl besagt, es ist toll ein Nerd zu sein. Gewissermaßen sind die Nerds die Superhelden der Neuzeit. Nerds halte ich für unglaublich bemitleidenswerte Menschen - und zwar vor allem, weil sie bemitleidet werden wollen, weil sie ja so sozial inkompetent sind, dass sie keine (kaum) Freunde haben und sich deshalb lieber mit Technik beschäftigen. Und eigentlich wollen sie das gar nicht, sondern wollen nur in den Arm genommen werden und Freunde haben - was aber nicht geht, weil sie damit ihren Status verlieren würden und nicht mehr als bemitleidenswerte Wesen gesehen werden würden. Und eben dies finde ich wirklich bemitleidenswert. Sie haben ihre Freiheit für einen Status aufgegeben, der vor allem daraus besteht unsozial zu sein.
[update] Wer dies nicht sieht, möge doch bitte auf die Nerds in der eigenen Timeline achten. [/update]
Die Filterbubble entstand mit der fortschreitenden Technik, die es erlaubt, sich seine eigene Welt zu konstruieren. Ich muss nicht mehr mit meinen Nachbarn unterhalten, ich kann jetzt auch telefonieren und chaten. Gewissermaßen ist das ein Zugewinn an Freiheit, weil es mehr Möglichkeiten gibt. Auf der anderen Seite ist es ein Verlust von Freiheit, weil die Filterbubble nur über Daten funktioniert, Menschen aber keine Daten sind. Mit standardisierten Zeichen lässt sich die Welt nicht 1:1 abbilden. Die Realität ist nicht nur ein Foto und auch kein Video - in beidem fehlen z.B. Gerüche. Die Welt lässt sich nicht vollständig maschinenlesbar darstellen und wiedergeben. Daraus folgt, dass die Filterbubble nur mit einer Komplexitätsreduktion funktioniert und zugleich die Fülle an Komplexität in der offline-Welt ausblendet, oder zumindest verschleiert. Es handelt sich dabei nur noch um pseudo soziale Aktionen. Es ist zwar nett, eine DM oder Mention mit “<3” zu schicken, aber eine Umarumung kann es doch nicht ersetzen. Da wir aber in unseren Filterbubbles gewissermaßen fest hängen (und unsere Nachbarn doch nicht kennenlernen), sorgt die Filterbubble für eine soziale Verarmung. Wir, die wir ins Internet gehen, um unsere Freunde zu treffen, merken kaum noch, dass es noch so viel mehr Möglichkeiten gibt, in Interaktion miteinander zu treten, als Chaten, Twittern oder auch mal zu Skypen. Unsere sozialen Interaktionen sind dadurch unglaublich begrenzt.
Ich nehme mich nicht aus und glaube auch nicht, dass ich da groß anders agiere als viele Freunde von mir, aber es stört mich zunehmend mehr. Und das ist auch der Grund, warum ich mich nicht mehr unbedingt mit anderen Nerds treffen will - und wenn, dann unglaublich alergisch darauf reagiere, wenn beim Spieleabend doch das Smartphone raus geholt wird. Es ist eine Beobachtung, die ich sehr bedenklich finde - und ich fürchte, dass diese Beobachtung bald auf die gesamte Gesellschaft zutreffen könnte. Diese “digitale Welt” halte ich für wenig lebenswert und hoffe, dass “uns” noch ein paar gute Ideen einfallen, wie wir diese Welt deutlich lebenswerter machen können.
Kommentare
von: Sven
Zu Punkt 2: Wenn Nerd als Modeströmung wie Emo, Goth, Punk, Raver, usw verstanden wird, wobei man sich für das eine oder das andere entscheidet, mag das zutreffen. Die meisten Leute die ich kenne, auf die die Bezeichnung Nerd zutreffen würde, interessieren sich für Dinge, ob technisch oder nicht, ohne sich für das Thema “sozial (in)kompetent” zu interessieren. Da diese Leute sich nicht definieren oder abgrenzen wollen fehlt da wohl der Bedarf so etwas herauszustellen. Selbstmitleid scheint mir dort recht fremd zu sein.
von: Gero
Ich gehe davon aus, dass die Unterscheidung von “Nerd als Modeströmung” und “Nerd als Technikfreak” nicht zu trennen ist. Klar gibt es darin unterschiedliche Ausrichtungen und Stimmungen, wie auch die Nerds eine heterogene Gruppe sind. Und es geht auch nicht darum, ob sich Menschen für soziale Inkompetenz interessieren (nein, das tun sie wohl wirklich nicht), sondern darum, wie sie mit der Gesellschaft umgehen. Menschen, die sich so krass viel mit Technik beschäftigen neigen dazu, auch den Menschen nur als sehr komplexe Technik anzusehen. Das sorgt für die soziale Inkompetenz.
Das Selbstmitleid entsteht, wenn sie sich dessen bewusst werden (was doch immer mal wieder passiert) und eigentlich aus der Rolle des Nerd heraus wollen, es aber nicht können, weil ihr gesamtes Denken darauf ausgelegt ist. Und das ist, so behaupte ich, auch einer der Gründe für die sehr hohe Depressionsrate der Nerds.
von: Isarmatrose
Dein letzter Absatz beinhaltet, dass du von dir als “unsoziales” Verhalten mit von der Gesellschaft als “unsozial” definierten Verhalten beantworten möchtest? Du hast mit deinen Beobachtungen ja Recht, aber deine Schlussfolgerung greift zu kurz. Unsere Gesellschaft muss sicher lernen mit den neuen Kommunikationsmittel umzugehen, aber vor einer derartigen Herausforderung standen wir ja schon oft. Wird schon. ;-)
von: Julia Seeliger
Ein ♥ für Nerds!
von: map
Gero, ich lese in deinem Blogpost vor allem Intoleranz und (Selbst-?)hass. Das finde ich schade. Um nicht zu sagen bemitleidenswert. Deine Küchenpsychologie in den Kommentaren auch.
Unterm Strich bedeutet Nerd sowieso nichts mehr - dazu muss mensch nur mal auf der campusparty vorbeigucken - und ich höre zunehmend auf mich so zu nennen, ausser als Shortcut für “technikaffin”.
von: tante
Unzufriedenheit mit einer sich selbst abkapselnden Bubble von “Nerds” schön und gut und mir ist das dann doch zu pauschal.
Du baust hier eine Dualität Digital/Analog auf mit einer leichten Überhöhung des Analogen ohne dafür Gründe zu liefern, eine Stoßrichtung, die im Aufsatz “The IRL fetish” schön zerlegt wurde (http://thenewinquiry.com/essays/the-irl-fetish/).
Du hast ein Problem mit den sozialen Konventionen Deines Umfelds - und sowas nervt kollossal! - aber die Übertragung aufs Allgemeine ist leider nicht schlüssig.
von: Gero
Ich würde es nicht (selbst-)Hass nennen, aber klar bin ich unzufrieden, ja. Im Übrigen habe ich auch bewusst “Nerd” gewählt und nicht “Hacker”, um auch die Campus-Party-Leute mit einzubeziehen. In meiner Wahrnehmung begrenzt sich das nicht auf “unsere” Twitter-Filterbubble. Zumindest nehme ich das auch in vollkommen anderen Kontexten war.
Und um es hier auch nochmal klar zu machen: es geht mir nicht darum, irgendwen zu diskreditieren. Es geht mir ganz und gar nicht darum, den Nerds zu sagen, sie seien Doof. Das war so gar nicht die Intention des Blogposts.
von: Gero
Ich kann die Wahrnehmung nicht empirisch unterlegen - und will es auch nicht. Es geht hier um meine Wahrnehmung. Punkt.
Mir geht es dabei auch nicht um “Digital/Analog” oder “Online/Offline”, sondern um die Art und Weise, wie “wir” miteinander umgehen. Und den Umgang kritisiere ich.
Und ich glaube, dass es eben nicht nur mir so geht, sondern einigen anderen auch, weshalb ich meine Gedanken nicht für mich behalten habe, sondern verbloggt habe.
von: @vieuxrenard
Küchenpsychologie hin oder her, aber bei den sozialen Umgangsformen hat Gero schon Recht: eine RL-Konversation wg. irgendeiner Mention zu unterbrechen geht mal gar nicht - und muss auch nicht sein. Ich hab’s mir jedenfalls wieder abgewöhnt und lebe sehr gut damit. Alles auf Twitter & Co. kann warten - vielleicht mit Ausnahme des einen oder anderen DM-Fail ;-)
Insofern würde ich an den @isarmatrosen anknüpfen: Es wird schon, sicher, aber nicht von alleine. Jeder muss für sich die Balance zwischen Virtuellem und RL finden. Gute Freunde können dabei helfen, gerade wenn sie selbst “Nerds” sind, indem man einfach ausmacht: Wenn wir reden, bleibt das Handy in der Tasche. Das geht, echt!
Das Zurechtfinden im RL ist zwar 1000fach schwieriger als zB auf Twitter, aber eigentlich geht’s nur darum. Ich bin mir sicher, dass das letztlich auch fast alle Nerds so fühlen. Ob sie’s (sich / anderen) eingestehen, ist natürlich eine ganz andere Frage.
Ich werde als Beisitzer für den Berliner Landesvorstand kandidieren. Warum?
Ende April 2012 bin ich den Piraten beigetreten und damit wohl eindeutig ein “Neupirat”. Wirklich neu fühle ich mich allerdings nicht, da ich schon lange im Piraten und Netzpolitik-Umfeld bin. Einige der “Altpiraten” kenne ich ganz gut und bin mit ihnen auch befreundet.
Den Piraten bin ich beigetreten, weil sie eine Mächtigkeit erlangt haben, die sie über den “point of ne return” gebracht haben. Ich glaube, das Experiment Piratenpartei lässt sich nicht mehr aufhalten. “Wir” haben uns für das Experiment entscheiden, nun müssen wir es durchziehen und hoffen auf einen guten Ausgang.
Die Erkenntnis, dass Politik noch immer in Parlamenten gemacht wird, sorgte für die Gründung der Piratenpartei. Alle andere Politikformen haben “wir” schon getestet und nirgends war der Einfluss groß genug. Nur als Partei gibt es die Möglichkeit in Parlamente einzuziehen und damit die Möglichkeit zu haben, die “größtmögliche Freiheit bei maximaler Chancengleichheit” durchzusetzen. Ein wesentlicher Schritt dazu ist eine Neuausrichtung des politischen Apparates. Daran möchte ich mitwirken.
Warum “nur” als Beisitzer?
Ich habe bisher keine Funktion in der Partei ausgeführt und kenne die Partei auch nicht gut genug um sie umfassend vertreten zu können. Als Beisitzer bin ich nicht die Repräsentationsfigur, auf die sich die Presse stürzt, sondern habe mit Themen zu tun, an denen ich mitarbeiten möchte: die Ausrichtung der Partei als solches und wie damit der Politikhack Erfolg haben kann.
Vor allem aber, möchte mein Studium nicht aufgeben. Ich habe gerade an die Fern Uni Hagen gewechselt und bin damit zwar sehr flexibel, werde auf Dauer aber kaum mehr als 20h die Woche unentgeltlich für die Partei arbeiten können. “Teilzeit-Landesvorsitzender” halte ich für keine Option.
Dazu kommt noch, dass ich vor einem halben Jahr mich aus dem aktiven Aktivismus zurück gezogen habe, weil es mir zu viel wurde und ich mein Leben nicht mehr im Griff hatte. Ich habe Angst, dass ich mich wieder übernehme und insbesondere an den teils sehr rauen Umgangston der Piraten kaputt gehe. Ich hoffe, dass ich als Beisitzer nicht all zu häufig ins Zentrum eines Shitstorms gerate und mein Leben dabei im Griff behalte.
So. Nun ist es raus und bin gespannt, was es für Rückmeldungen gibt.
Kommentare:
von: V.
Da muss ich maxen leider in vielen Punkten zustimmen: Auch ich hoffe, dass dich die Vorstandsarbeit im Moloch der Partei nicht kaputt macht. Trotzdem, wünsche ich dir viel Erfolg und Durchhaltekraft (vor allem fürs Studium).
von: rka
Genauso wie ich mich freute als du den Piraten beigetreten bist, freue ich mich nun auch über deine Kandidatur.
Ich bin mir sicher, dass du mit deinen frischen Ideen und dem Hinterfragen von unklaren Abläufen wie ich sie im AK Vorrat kennengelernt habe, als Beisitzer einen guten Job machen wirst.
Dass du dich dabei nicht bis zur Selbstaufgabe in Arbeit stürzt, daran will ich dich gerne beizeiten erinnern ;)
von maxen
Ich denke, Du bist sehr feinfühlig und friedfertig. Die innerparteiliche Diskussionskultur ist (hingegen) nicht entwickelt genug, um Dir zu genügen. So dass überhebliche Selbstdarsteller’innen Dir den letzten Nerv raubten.
Dass die Piratenpartei Wege zur Emanzipation (Aufklärung und Befreiung) von Macht und Gewalt vorlebt, ist kaum mehr zu erwarten. Sie stecken noch in den sechs Urkonflikt-Formationen - wie Johan Galtung sie beschreibt und benennt (Buch) ‘Frieden mit friedlichen Mitteln’ + (Vortrag) speziell ab 1:17 http://www.youtube.com/watch?v=ngxDAAkgVr8
Über Gewaltfreie Kommunikation hinaus, gibt es friedliche Mittel und Wege. Mediation kann dazu beitragen, den Umgang miteinander zu üben. Schlichtung ist (nicht schlecht, aber) ein Zeichen für vorhergehenden Mangel.
Nun, wo Du feinfühlig sein magst, bin ich über-feinfühlig (hyper-sensibel). Natürlich freue ich mich, wenn ‘so Typen’ in der Partei (aktiv) sind, die ich noch mindestens einmal wähle #BTW2013. Doch mach ich mir mehr ‘Sorgen’ um das Wohlergehen Einzelner (Deines), als um das einer Partei.
Mailinglisten sind das Urgestein des Internets - quasi die Mailboxen, die es schon in den 80er Jahren gab, bevor das World Wide Web überhaupt erfunden war (das kam dann erst mit Tim Berners-Lee 1990). Aus diesem Grunde kenne ganz viele Menschen, die sich schon lange im Netz bewegen die Mailinglisten so gut und nutzen sie auch gerne. Und für “Never change a running system” scheinen Mailinglisten das Paradebeispiel zu sein.
“Wer etwas vom Internet versteht, nutzt auch Mailinglisten” könnte die nerdige und schnelle Schlussfolgerung sein. Und gefühlt ist es auch so. Leider.
Mails lassen sich schon ganz super auseinander nehmen und einzelne Passagen zitieren und darauf antworten (deutlich besser als in Briefen auf Papier). Bei normalen Mails zwischen 2 Personen ist das auch häufig hilfreich, um kurz und präzise zu erörtern, was es zu erörtern gilt. Dies kann auch in einem kleinen Kreis funktionieren - muss es aber nicht. Und häufig funktioniert es gar nicht.
Wenn eine Mail auseinander zitiert und erörtert wird, die Mail verfassende Person aber etwas länger nicht antworten kann, werden die verschiedensten Dinge von mehreren Leuten rein interpretiert und uminterpretiert. Die Person, die die ursprüngliche Mail verfasst hat, muss sich nun durch einen Wust von Mails durchkämpfen und verschiedenste Interpretationen beantworten. Häufig geht es dabei überhaupt gar nicht um die eigentliche Intention der Mail, die von der verfassenden Person gewollt war. Daher führt diese Diskussion (die auch schnell zum Flamewar mutiert) nur ganz selten zu einem tatsächlichen Erkenntnisgewinn. Das wiederum bedeutet, dass Mailinglisten keine besonders gut geeigneten Kommunikationsmittel sind.
Und daher lehne ich Mailinglisten ab und vermeide sie so weit es irgend möglich ist. Und ich rate euch: tut es mir gleich.
Kommentare
von: Ingo Jürgensmann
Dem muss nun aber widersprechen! Mailing listen sind zum diskutieren toll, allerdings mitunter recht komplex, da sich verschiedene Baeume/Threads entwickeln koennen. Je nachdem, wie man die Mails der ML abarbeitet, mag dann der Eindruck von Wildwuchs entstehen. Besonders schlimm wird es, wenn man dann noch selber meint, zu jeder kleinen Bemerkung auch noch selber eine Antwort schreiben zu muessen.
Eigentlich koennen Diskussionen auf MLs durchaus strukturiert und nachvollziehbar sein. Man muss aber auch selber ein bisschen dazu beitragen, es nicht zu einem Flamewar verkommen zu lassen.
von: Gero
Ja, Mailinglisten *können* gute Diksussionsforen sein. Müssen sie aber nicht. Und Gruppen, die sich genau ausgemacht haben, wie sie die Mailinglisten nutzen wollen, geht das auch.
Häufig ist das aber nicht so. Da gibt’s keine Erklärung, was da eigentlich drauf gehört und was nicht - und sie werden über strapaziert und machen alles kaputt. Und dann besser ganz ohne MLs als auf kaputten.
Jedenfalls für mich.
Ragen, Verb, aus dem Englischen, von “rage” (deutsch: Wut/Zorn), ist ein Tätigkeit des verbalen Wutauslassens. Häufig entsteht die Wut über eine Sachposition, wird in der emotionalen Debatte aber manchmal persönlich. Selbst wenn kein persönlicher Angriff gewollt ist, nehmen Kontrahänten es manchmal als persönlichen Angriff war.
Disputanten beginnen häufig zu ragen (in Rage zu verfallen), wenn veraltete, aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbare Positionen der Kontrahenten vehement verteidigt werden ohne auch nur ein wenig Einsicht zu zeigen. (häufiges Beispiele: Biologismus in Form von Sexismus, Homophobie, Rassismus)
Ragen ist hier oftmals als ein nahezu hilfloses “warum nur wollen Sie sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen, wenn sie sich dazu schon äußern?!?” zu verstehen. Es scheint, als würde alle wissenschaftlich fundierte Erkenntnis nicht wahrgenommen werden möchte, um den eignenen Standpunkt nicht aufgeben zu müssen. Dies führt zum (manchmal verzweifelnden) Ragen.
Besonders häufig geraget wird, wenn faktisch bevorteilte Menschen auf ihre Privilegien bestehen und dabei nicht bevorteilte Menschen (oft unbewusst) unterdrücken. Hier ist Ragen ein verzweifelter Versuch das Problembewusstsein zu schaffen. In der Eskalationsphase schließt sich häufig der Shitstorm an, wenn keinerlei Bewusstsein für die privilegierte Position erkennbar wird, wodurch eine Position manchmal aus Angst vor der größerwerdenden Öffentlichkeit zurückgezogen wird.
Die Ragenden bezeichnen dies manchmal als Gewinn, denn die Sachposition (insbesondere in Parteien) oder die Werbung wurde zurück gezogen.
Wenn allerdings im Nachhinein an den Shitstorm/Rage keine ausführliche Erklärung stattfindet, halte ich es für einen Schein-Gewinn. Die beragete Person hat den Standpunkt nicht verstanden und sieht dieses Thema nun als schwieriges Thema an und meidet es. Das Problembewusstsein hat sich nicht eingestellt - und damit ist häufig eine weiter reichende gesellschaftliche Debatte über das Problem nicht möglich. Zumindest diese Person selbst wird kaum andere Menschen auf eben das gleiche Problem hinweisen.
Aus diesem Grund behaupte ich. “ragen hilft nicht”. Leider. Es bleibt: Aufklärung an alle Menschen, die sich aufklären lassen. Auch wenn Aufklären sie unglaublich viel mehr Arbeit macht, als ein kurz ragender Tweet.
Hiermit möchte ich allerdings mitnichten den Ragenden irgendeinen Vorwurf machen. Sie setzen sich häufig für die richtige Sache ein und dies begrüße ich ausdrücklich!
Dieses Blog ist ein Stück weit ein offenes Tagebuch, in dem ich u.a. über meine Depression schreibe, vor allem aber über Strukturen, an denen ich versuche zu erkennen, wie das auf die Depression so einwirkt - und ich mache das öffentlich, weil ich davon ausgehe, dass es vielen Menschen ähnlich geht. Und zu sehen, dass es anderen Menschen ähnlich geht, bringt diese Menschen zusammen und manchmal können sie sich gegenseitig helfen.
In der letzten Zeit geht es mir (siehe mein letzter Blogpost) um meine Lebensform, die sich irgendwie vom “normalen Leben” unterscheidet - und ich irgendwie zum normalen Leben “zurück” will - und irgendwie nicht. In diesem Blogpost geht es mir darum, dass Hackingspaces kein zu Hause sind - und “wir Hacker” ein zu Hause brauchen und Kommunen bilden sollten. Und unsere Lebensform vielleicht auch zu unserem “normalen Leben” machen sollten.
In den Hackerspace-Design-Patterns steht u.a., dass mensch niemanden im Hackingspace wohnen lassen sollte. Und das ist auch gut so, denn ein Hackingspace ist zum Hacken da, nicht zum Wohnen.
Andererseits ist das auch hoch problematisch, denn wo leben eigentlich Haecksen und Hacker?
Irgendwo in ner kleinen Wohnung/WG vor ihren Rechnern verschanzt mit nem Tiefkühl-Pizza-Vorrat und für den Koffeinmagel auch mit nem Bett. Alles Haben ist (nach mspro) virtuell, der Kontakt zu Mitmenschen in der selben Wohnung und/oder Stadt sind häufig eingeschrenkt - die Kontakte werden ganz der Filtersouveränität nur mit den Menschen gepflegt, zu denen auch der Kontakt gewünscht ist. Das führt schnell dazu, dass alle wichtige Kontakte online gehalten werden.
Wenn ich mir mein Leben seit dem Abi 2009 angucke, habe ich ne Weltreise und 4 verschiedene (mehr oder weniger feste) Wohnorte hinter mir. Nirgends lebte ich länger als 9 Monate. (Berlin durchbricht die 9 Monate gerade … sogar in der selben WG). Und irgendwie war ich all die Zeit mehr oder minder in der selben Szene, der Hackingszene. Mein Freundeskreis hat sich in der Zeit relativ konstant aufgebaut, relativ unabhängig vom Ort, wo denn gerade mein Bett steht und wo ich denn “wohne”.
Weil wir uns selbst häufig von den Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung aus unterschiedlichen Gründen eher abkapseln, vereinsamen wir häufig - und (so behaupte ich) daraus entsteht dann unter Umständen eine Depression. Dazu kommen häufig Lebensentwürfe, wie Polyamorie und das Ablehnen von klassischen Geschlechterrollen und Familienbildern. Was ich ausdrücklich gut finde, aber der sozialen Interaktion mit anderen Menschen häufig eher abträglich ist - und sich die Haecksen und Hacker noch mehr in ihre eigene Welt zurück ziehen, in der soziale Interaktion auf Twitter mit #Flausch und *hug* wohl ihren Höhepunkt haben. Leider.
Mitfühlende Tweets sind super, können echte soziale Interaktionen aber nicht ersetzen. In Berlin gibt es inzwischen den Luxus, dass es hier so viele tolle Leute gibt, die auch einfach mal an der Tür klingeln, die Wohnung stürmen um den *hug*-Tweet im Meat-Space umzusetzen. Und: das ist super, klappt aber nicht immer. Schon gar nicht immer dann, wenn mensch es wirklich braucht. Hinzu kommt: je depressiver die Stimmung, je schwieriger ist es, sich Hilfe zu organisieren - oder gar zu anderen Menschen hin zu gehen, um die Einsamkeit aktiv zu unterbrechen. Wirklich hilfreich wäre es, wenn die Menschen, die sich derzeit auf Twitter/Jabber/IRC … gerade aktiv gegenseitig stützen einfach zusammen wohnen würden, damit sie für einander da sein können. Beim zusammen Wohnen sieht mensch deutlich leichter, wer gerade ernsthaft Hilfe braucht. Und das sollte nicht auf die 2er oder 3er WG beschränkt sein, sondern große WGs werden, damit Menschen sich wirklich unter einander stützen können - und immer irgendwer da ist. Ganz wie in dem Kommune-Gedanken der 68er-Generation. (Rainer Langhans hat das in den Elemantarfragen mal ganz gut dargestellt (neben vielem anderen))
Kommunen, wo unsere Lebensentwürfen akzeptiert sind und mensch sich zu Hause fühlen kann und Menschen für einander da sind, weil sie sich auch verstehen, weil sie aus der gleichen Subkultur kommen. Ich glaube, dass “wir” uns zu selten zu wenig Gedanken darüber machen, wo wir gerade wie wohnen. Wir brauchen ja nur ein Bett, Netz und ne gute Zug- und Flughafen-Anbindung. Zu Hause machen wir ja doch wenig - außer auf ein Gerät mit Netzanbindung gucken.
Und das halte ich für ein Problem. Unser Zuhause muss keine exorbitanten Anforderungen erfüllen - aber es sollte voll mit Menschen sein, die wir gern haben - und nicht mit “irgendwem”, mit dem wir doch nichts zu tun haben, und dann “vereinsamen”, weil wir unsere guten Freunde nicht mehr im RealLife Treffen, wobei das so wichtig ist.
Diese Kommune, das Zuhause soll ein Rückzugsort sein - in das “wir” uns zurück ziehen können und aufgefangen werden. Wie dieses “uns” definiert wird, und wer da rein darf/soll, wird die jeweilige Kommune dann entscheiden. Vor gut ‘nem halben Jahr habe ich an dieser Idee mit einzelnen Leuten mal gesponnen, ist dann aber wieder runter gefallen. Dabei finde ich sie gut. Und halte sie für eine Beseitigung von vielen Problemen.
Super fände ich auch, wenn diese Nerd/Hacking-Kommunen dann auch ein Anlaufpunkt in einer anderen Stadt sind. Um auch in einer anderen Stadt ein “Zuhause” zu haben - so viel wie “wir” unterwegs sind. Ein bisschen wie ein Hackingspace, nur eben nicht zum Hacken, sondern zum Sein. Zum Leben. Zum Zurückziehen - und dabei dann sogar noch ein bisschen “überall”.
tl;dr: Hackingspaces sind Orte, wo (gemeinsam) an Projekten gehackt wird - und wo es ums Hacken geht. Lasst uns Kommunen bilden, wo wir für einander da sind und auch einen Lebensraum haben, wie wir ihn haben wollen. Und wo #Flausch nicht ein verbranntes Hashtag ist, sondern ein echtes für-einander-da-sein.
Kommentare
von: TollerMensch
Ein wesentliches PRoblem ist doch, dass du es mit einer sehr “eigenen” Community zu tun hast. Leichte bis schwere Soziopathen findet man schon in Hackerspaces genug, ähnlich würde es auch in einer Kommune aussehen.
Wenn zu viele unterschiedliche Macken auf einem Ort sind, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis Reibereien entstehen, und gerade in Hackerspaces sieht man oft ja auch sehr spezielle Leute, die, was soziale Beziehungen angeht, eine sehr absolute Auffassung haben - einmal ein Fehler oder ein falscher Kommentar reicht aus, dass der Mensch nie mehr mit einem spricht.
Aber: Wieso fragst du nur, wieso es sowas nicht gibt, und wieso sowas niemand macht? Es ist nur organisatorischer Aufwand, sowas auf die Beine zu stellen. Geld findet sich dann über die Mitglieder der Kommune.
Hackerspaces haben quasi auch mit der c-base in Berlin angefangen, und heute gibt es sie auf der ganzen Erde.
von: Gero
Klar gibt es Soziopathen in der Szene - und klar ist auch, dass zumindest ich mit denen nicht zusammen wohnen möchte. Wie ich mit relativ vielen Menschen nicht zusammen wohnen möchte. Aber aus diesem Grund war ja auch mein Vorschlag, dass die Kommune sich selbst finden muss - und selbst entscheidet, wer rein kommt und wer nicht. JedeR soll dann eben auch doch nicht rein.
Und der Blogpost war auch eher ein Aufruf - mal gucken, wie darauf reagiert wird. Und dann natürlich auch das Initiative ergreifen, wenn es sich anbietet - und wenn jemensch einen wirklich tollen Ort hat, wo man eine Kommune neu gründen könnte (in eine vorhandene WG einziehen funktioniert halt nicht), dann immer her damit! Und dann würde es sich “irgendwie” entwickeln …
von: Julian
Nachdem ich mir mal den Wikipediaartikel zum Thema Kommune als Lebensform durchgelesen habe, würde ich für mich spontan das Leben in einer Kommune ablehnen. Konsensprinzip, Plenen, “zeitaufwendiger Diskussionprozess”, der ganze formale und philosophische Überbau der klassischen Kommune ist mir zuviel. Ich möchte nicht jeden zweiten Tag den ganzen Abend das Zusammenleben ausdiskutieren müssen.
Dass depressiven Mitbewohnern in $Zusammenlebengemeinschaft geholfen werden kann, halte ich nur dann für möglich, wenn das Verhältnis stimmt, d.h., genug nicht-depressive da sind. Es fällt mir aber schwer, das Verhältnis in Zahlen zu packen, und mir kommt gerade ein Depri-WG-Bild hoch, was ja über einen längeren Zeitraum passieren könnte.
Es ist schön, mit anderen zusammen zu leben, zusammen zu kochen und zu essen, etwas zu spielen, whatever. Ebenso habe ich es zu schätzen gelernt, alleine in Ruhe zu kochen und zu essen, oder alleine Musik zu hören, sich nur darauf zu konzentrieren und sie zu geniessen.
Wie ich/man das alles unter einen Hut bringen sollen, das habe ich noch nicht herausgefunden, denn gefühlt bieten mir WGs/Kommunen zu wenig Rückzugsraum und Freiheiten.
von: Julian
Kleine Fehler oben: s/philosophische/ideologische/
von: Gero
Sry, aber ob DU in einer Kommune leben möchtest oder nicht, ist mir vollkommen kackegal. Und nein, ich brauche auch keine KommentatorInnen, die überall ihren Senf dazu geben. Das kann ich alleine. Mach das doch auf deinem eigenen Blog. Danke.
Ich hab den Aktivismus aufgegeben, um wieder mehr “echtes Leben” zu leben. Und die Entscheidung war gut - aber es reicht nicht.
Ich lehne aus politischen/ethischen/moralischen Gründen viele Lebenseinstellungen ab (wie ich es z.B. nicht lustig finde, sich über andere Menschen lustig zu machen - schon gar nicht aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung u.ä.) - und aus diesem Grund halte ich mich von vielen Menschen fern, die eben dieses tun. Irgendwie versuche ich ein diffus “politisch korrektes Leben” zu leben. So ohne massiven Drogenkonsum, möglichst ohne Ausbeutung anderer Menschen und mit möglichst wenig Gesetzeskonflikten (Generell finde ich nämlich Gesetze eine gute Sache).
Und ich werde das Gefühl nicht los, dass mir diese Lebenseinstellung einen großen Teil dessen, was ich eigentlich Leben möchte, “verbietet”.
Nein, mir geht es dabei nicht um den massiven Drogenkonsum und auch nicht darum, mich über andere Menschen lustig machen zu können. Da habe ich keine Freude dran.
Mir geht es um eine leichtere Lebensweise. Mir geht es u.a. um Extremsport. Nicht, dass ich ihn selbst dringend machen muss - aber er ist ein gutes Beispiel dessen, was ich an meinem Leben nachhaltig vermisse. “Verrückte Dinge tun”
Menschen, die dies tun, haben diese “leichtere Lebensweise” (behaupte ich). Sie machen sich nicht zu viele Gedanken darüber, was passiert, wenn der Fallschirm nicht aufgeht - oder was passiert, wenn sie beim Skaten falsch aufkommen und sich den Arm brechen. Bei den Menschen, die dies tun, nehme ich überproportional häufig “Kackscheiße” wahr. Da wird den Mädels der Arsch gegrabscht und “schwul” als Schimpfwort genutzt.
Aus eben diesem Grunde meide ich sehr häufig diese Menschen.
Ich schaffe es nicht einmal, ohne Helm Fahrrad zu fahren. Also, ich fahre schon auch ohne Helm (und habe auch keine Angst davor), halte es aber für eine äußerst gute Idee, mit Helm zu fahren (Es erhöht die Chance zu Überleben im Falle eines ersten Unfalls einfach massiv). Dazu kommt, dass ich längere Zeit als Fahrradkurier gearbeitet habe (ich kann also wirklich Fahrrad fahren ;-) ) - und mich in der Zeit daran gewöhnt habe, mit Helm zu fahren. Das mit-Helm-fahren wiederum führt dazu, dass jede Person, die mich sieht, sich denken muss “ach, der fährt mit Helm. Ist ja ein ganz sicherer …”. Oder zumindest interpretiere ich das in andere Menschen hinein, was wiederum dazu führt, dass ich mich eben so verhalte, als würde sie das denken - und versuche mich irgendwie abzugrenzen (weil die anderen ja ohne Helm fahren und bestimmt doof sind).
Natürlich ist das etwas überspitzt, aber zur Verdeutlichung, was in mir so für Gedanken sind, wohl ganz gut.
Und ich glaube, dass diese Haltung mich häufig in die Depression zieht. Das, was von außen wohl so aussieht, als hätte ich ‘nen Stock im Arsch. Und wahrscheinlich habe ich das auch - aber genau das ist es auch, weshalb mich von den Menschen, die das so sehen, abwende. Und übrig bleiben Menschen, die (ähnlich wie ich) sich sehr viele Gedanken zu allem machen und politisch korrekt leben.
Diese Menschen sind wahrscheinlich auch die allermeisten, die mein Blog lesen - und, ihr politisch korrekt lebenden Menschen: Ich mag euch. Ich mag euch sogar sehr - aber mir fehlt das “Verrückte Dinge tun”. Vielleicht tut ihr das die ganze Zeit, und ihr nehmt mich einfach nicht mit (was ich gemein fände!), vielleicht ist aber auch das verrückteste, was ihr tut, am Linux-Kernel mit zu programmieren. Ja, das ist irgendwie auch verrückt - und politisch super korrekt und wichtig. Und ich bitte euch, dies auch weiterhin zu tun, denn Linux ist super! - aber es ist nicht das “verrückt”, was ich meine. Mir verleiht so ein Linux-Kernel einfach keinen Adrenalin-Schub. Und das ist es, was mir in meinem Leben so häufig fehlt.
Update: Was mir so fehlt, in noch deutlicher:
Und das Video ist schon ganz schön kackscheiße.
Oder:
Weniger offensichtliche kackscheiße, dafür mehr krasse First-World-Probleme. Und das Gefühl den Rucksack nehmen zu wollen um für ne Zeit nach Indien zu gehen. Und dann das Problem haben, krass reicher Mensch aus dem Westen zu sein, der es sich dort quasi ausbeuterisch gut gehen lassen kann. Und womit ist zu rechtfertigen, das es mir so gut geht, wo ich so wenig arbeite - und warum es vielen Indern so schlecht geht, obwohl sie viel mehr arbeiten als ich. Müsste ich denen nicht all mein Haben geben?
Krasse Gedankengänge in meinem Kopf. Aber so sind sie.
Kommentare
von: Julian
Kurz und knapp: Jammern auf hohem Niveau. Im Vergleich zu den meisten Menschen führst Du ein Leben auf der Überholspur, was den meisten schon verrückt genug wäre. Wieso um alles in der Welt sollte ein häufiger Adrenalinschub erstrebenswert sein? Weil die Welt, in der wir leben, eh schon verrückt genug ist, und man dadurch noch eines oben drauf setzen will, auf diese durchgeknallte Realität da draussen, die einen abstumpfen läßt?
Ist das dann nicht schon fast wie Ritzen, weil normale Reize schon nicht mehr wahrgenommen werden, und der Schmerz zeigt: “Ah, ich lebe ja doch noch.” Sind die Zeiten, wo man sich nach durchzechter Nacht alleine wohin setzt, und in Ruhe einen schönen Sonneaufgang beobachtet, und dieses als wunderschönes, einmaliges Erlebnis wahrnimmt vorbei?
Was ist so toll an Extremsport? Ist es der Adrenalischub? Oder vielleicht doch die Anerkennung, die einem andere zollen? Sofern sie einen nicht für total bescheuert halten. Naja, solange das Solidarsystem die auf die Schnauze fliegenden Skater, Kletterer, Fallschirmspringer, etc. auffängt, ist ja alles ok.
Bisschen überspitzt, komprimiert und unsortiert, aber das ist der Uhrzeit geschuldet :)
von: Gero
Du hast natürlich recht, dass ich schon einiges im Leben gemacht habe - und zugleich das “Leben” dabei ganz häufig zu kurz gekommen ist. Also ein Stück weit ist es auch die Frage: Warum das alles? Für was? Was an dem bisherigen Leben ist denn so unglaublich erstrebenswert?
Und ja, mich langweilt mein Leben. Ganz häufig, ganz massiv. Irgendwann ist die Zeit durch, die es besonders spannend ist, Demos zu organisieren, Politiker zu belabern, vagabundierend durch die Gegend ziehen, rumnerden. Das alles langweilt mich. Es langweilt mich, weil ich so selten eine Antwort darauf habe “Warum tue ich das eigentlich?”
Wo ist der Unterschied, ob ich mich als Aktivist in verschiedenen Gruppen kaputt arbeite, großartige philosophische Texte lese, oder einfach vor dem Fernsehen abhänge? Und warum tue ich letzteres nicht? Okay, ich habe keinen Fernseher - und das Fernsehen langweilt mich sogar noch mehr, als irgendwelche Demos zu organisieren. Und nein, Demos organisieren ist nicht langweilig - im Gegenteil eher echt stressig. Aber erfüllen tut es mich trotzdem nicht. Ich erkenne den Selbstzweck darin nicht. Das große Ganze fehlt mir dahinter. Ja, die Demos sind wichtig - aber was habe *ich* davon? Warum sollten wir das Internet retten? Für was? Wo ist das lebenswerte Leben dahinter?
Warum sind meine Freunde so häufig gegenseitige Hilfsbeziehungen? Warum habe ich so häufig Freunde um XYZ zu erreichen? Was hat mich so krass durchrationalisiert?
Ich habe neulich endlich mal den Kinderfilm Momo gesehen - und frage mich, ob wir nicht auch alle den grauen, rauchenden Männern auf den Leim gingen und nun unsere ganze Zeit rationalisiert wird. Aber was haben wir davon? Wo ist das Leben, das es sich noch zu leben lohnt?
Zumindest suche ich eben dieses. Irgendwas, was nicht in irgendeiner Art und Weise nützlich für etwas anderes ist, sondern einfach Selbstzweck. Ein Leben, das mir irgendwas gibt. Freunde, bei denen ich nicht das Gefühl habe, wir sind nur Freunde, weil wir uns gegenseitig für ein gemeinsames Projekt brauchen - sondern welche, die ich gern habe, weil wir uns gegenseitig ganz ohne Hintergedanken wirklich gut verstehen. Dieses “normale Leben” - mit all dem, was es lebenswert macht. Irgendeine Art von Kick.
Ja, es gibt die Scheinweisheiten, dass die Kicks doch auch alle nicht das Wahre sind, und ein erfülltes Leben ohne funktionieren sollte - aber dem widerspreche ich. Ich glaube, dass jeder Mensch eine Passion braucht, die ihn erfüllt - und das sind nunmal häufig auch Adrenalinkicks.
Und wenn es die nicht sind, dann gibt es aber eine echte Passion irgendwofür - und drum herum ein “normales” Leben mit echten Freunden. Und eben dieses fehlt mir.
(Ja, ich habe echte Freunde und die sind auch toll. Aber es sind halt wenige - und aus einem sehr bestimmten aktivistischen/nerdigen Kreis - und darüber hinaus recht wenige).
von: Gero
Ich verstehe nicht ganz was du mir sagen willst. Genau genommen gar nicht.
Was willst du mir dann sagen? Dass es mir ja so gut geht und ich mich nicht so anstellen soll?
Weshalb genau führe ich ein Leben “auf der Überholspur”?
Und: Nein, Ritzen (Selbstverstümmelung) ist nicht das gleiche wie Extremsport. Der Vergleich ist mächtig schief.
von: Julian
Bzgl. der These der (lebens)notwendigen Passion und der Kicks haben wir einen Dissens. Du hast doch bestimmt mal
Siddhartha gelesen. Wie wirkte das Buch auf dich?
Und noch kurz zu den echten Freunden: wer behauptet, mehr als eine Handvoll zu haben, der weiss nicht, was echte Freunde sind. Von daher ist das imho voll ok, wenn du wenige hast, weil man viele nicht haben kann.
von: Karl
@Gero:
Hab grade dein Blog gefunden, gefällt mir!
Kann sehr gut nachempfinden was du beschreibst. Vor so ca. 2 Jahren gings mir ganz ähnlich (da war so ein Höhepunkt, aber dieses Grundgefühl hat mich schon viele Jahre begleitet). Habe mich durch mein ständiges Alles-Hinterfragen, von allen Seiten beleuchten, mich und meine Handlungen analysieren, ein korrektes Leben zu führen usw. geradezu vom Leben abgeschnitten gefühlt, oder zumindest unfähig, einfach mal nur zu tun, einfach nur zu sein. (Vielleicht trifft das auch gar nicht so sehr deine eigene Verfassung, aber ich hab mich einfach in deinen Beschreibungen wiedergefunden, vor allem bei den Sachen, die du in deinem Leben vermisst.)
Manchmal hilft wirklich nur, sich zu zwingen, einfach mal Sachen zu tun, Neues auszuprobieren ohne darüber nachzudenken, und sich aus den alltäglichen Strukturen rauszureißen. Einen Schritt dazu scheinst du ja schon gemacht zu haben, indem du dich vorerst vom allesfressenden Aktivismus zurückgezogen hast. Dadurch lernt man auch nochmal neue Leute kennen, die im besten Fall einen ganz anderen Zugang zur Welt haben (deine ‘Extremsportler’, bei mir wars ne Freundin, die Kunst gemacht hat) und deren Leichtigkeit einfach nur ansteckend ist.
Hoffe du schaffst es, deine Lebensweise und dich selbst so zu verändern, dass du Teile dessen, was dir fehlt, dazugewinnst und gleichzeitig das Gefühl behältst, du selbst zu sein.
@Julian:
Wie du hier angesichts eines Menschen, der offenbar in einer Sinnkrise steckt (und mit dem du zu allem Überfluss befreundet zu sein scheinst), mit den hinterletzten Binsenweisheiten um die Ecke kommst und dabei in jedem Satz seine Gefühle kleinredest, ist eklig. Die wenigsten Probleme lassen sich lösen, indem man jemanden damit zuschwallt, dass seine/ihre Probleme keine Probleme sind.
von: TollerMensch
Habe auch gerade diesen Blog hier gefunden und finde ihn nett, vor allem diesen Beitrag hier finde ich gut, kann mich darin teilweise auch gut wiederfinden.
Ich denke, das Problem ist nicht, dass man tatsächlich zu wenig erlebt, sondern dass man diese Dinge zu schnell annimmt und als nichts besonderes mehr ansieht. Mach dir einfach mal bewusst, was du für ein Leben führst!
Woanders schreibst du, du würdest um die Welt reisen, Konferenzen besuchen, häufig umziehen, Demos organisieren, politische Diskussionen führen. Ist das nicht aufregend? Als du jünger warst, war das sicher eine Art “Traum”.
Nur wenn man dann eben an dieser Stufe ist, nimmt man die Sachen zu schnell als gegeben an, “es macht ja jeder”, weil sich das soziale Umfeld auch entsprechend ändert. Aber die anderen, die machen die interessanten Dinge.
Als ich 16 war, habe ich von genau dem Leben, das ich jetzt führe, geträumt. Mit Freunden jede Gegend und jeden Winkel zu erkunden, die Nächte durchzucoden an geilen Projekten, 12 Stunden durch halb Europa zu Konferenzen zu fahren, auf riesige Hackercamps gehen, Dinge digital zu erkunden.
Ich habe lange auf einen Job hingearbeitet, weil ich lange davon geträumt hatte. Aber noch mit der Zeit zwischen der Bestätigung und dem Jobanfang hatte es wieder seine Aufregung verloren, und ich sah dadrin nur noch eine Verpflichtung.
Und heute? Da denke ich auch, hätte ich mal was aufregenderes tun sollen, oder sollte jetzt was aufregenderes tun. Aber wenn man sich überlegt, was man in dieser Community erlebt, was man tut, wozu man beiträgt, dann ist das schon eine der aufregendsten Dinge, die man tun kann.
Es ist von außen gesehen vielleicht nicht so, aber ich denke schon - es ist sehr viel aufregender ein solches Leben zu führen, als tagein, tagaus das gleiche zu machen, und wochenends dann zu feiern und ggf. mal einen bestimmten Sport zu machen, oder irgendein Erlebnisprogramm aufzulegen, damit man mal was besonderes macht (Fallschirmspringen, $Droge konsumieren, was auch immer). Das kann jeder.
Adrenalinschübe aus einer Gefahr heraus sind imho eine ziemlich eklige Sache. Im eigentlichen Moment sind sie unschön und man denkt an etwas komplett anderes, als was für einen Spaß man gerade habe bzw. wie toll es doch eigentlich ist, was man macht. Im Nachhinein bleibt dann eine schöne Geschichte, wenn es denn überhaupt folgenlos weitergeht, aber auf Dauer wird daraus auch nicht mehr werden als ein Hobby. Der Fallschirmspringer wird nach dem hundertsten Sprung sicher auch nicht mehr das Gefühl haben, er mache gerade etwas sehr besonderes, sondern es macht ihm einfach Spaß.
Aber das Gefühl, das du bei sowas hättest, kannst du auch mit sehr viel einfacheren Dingen erreichen. Schon Segeln oder Klettern hat eine sehr ausgleichende Wirkung, oder mal bei schwerem Wetter mit einem Kajak (auch auf dem Wannsee) unterwegs zu sein. Wirklich lebensgefährlich oder unmoralisch wird das nicht, aber in dem Moment denkt man anders.
von: Gero
Es geht mir dabei gar nicht so sehr um die Adrenalin-Schübe selbst, sondern mehr um die Leute, mit denen man (gemeinsam) tolle Sachen macht.
Ja, ich mache viele tolle Sachen - und ich versuche mir das auch immer mal wieder bewusst zu machen - aber ich mache sehr viele von diesen tollen Sachen alleine. Also, ich mache sie natürlich nicht ganz alleine, aber es fühlt sich oft so an, als würde ich sie alleine machen. Auch wenn mensch im Internet ganz viele tolle Dinge auch mit anderen Menschen zusammen zu machen, ist es doch nicht das gleiche, wie etwas im RL zusammen zu machen. Das Verbindende Moment ist nicht da. Dabei bewegen wir uns physische nicht. Und wenn es nur das aus der Laune heraus entsandene Wettrennen ist, das spontane Volleyball- oder Federball-Spiel, das macht mensch mit anderen Menschen zusammen und mensch bewegt sich dabei, was zum besseren Wohlgefühl im Nachhinein führt. Es ist auch nicht so, dass ich keinen Sport mache - aber auch den mache ich zumeist alleine und auch wenn ich das im Nachhinein anderen Menschen im Jabber erzählen kann, ist es doch nicht das gleiche, wie gemeinsam Joggen gegangen zu sein. Und das ist so ein bisschen mein Problem.
Im nächsten Blogpost (zu der Hacking-Kommune) bin ich darauf ja weiter eingegangen und sehe das Problem (inzwischen) auch weniger darin, dass ich so wenig mache, oder mein Leben so langweilig ist, sondern dass ich mit den Leuten, die eine ähnliche Lebenseinstellung haben wie ich, einfach mehr zusammen tun sollte. Und da ich Biertrinken mit Kalendereintrag auch doof finde, halte ich es für die beste Möglichkeit einfach zusammen zu wohnen, dann kann mensch einfach nach Hause kommen und sich ein Bier zusammen nehmen - ohne allen Orgakram …
Frauen gehören in die Politik. Aber da sind sich wohl alle einig. Fakt ist: Es sind weniger Frauen als Männer in Parteien aktiv. Die Grünen haben eine Quote und damit mindestens 50% Frauenanteil in allen Gewählten Gremien - doch in der Partei haben aber selbst die Grünen nur 37% Frauen.
Häufig höre ich ein “Frauen können eben keine Politik” oder ähnliches. Dies zu diskutieren bin ich leid.
Anfang 2011 habe ich angefangen mich bei Amnesty International (in Freiburg) zu engagieren und schon damals ist mir der hohe Frauenanteil aufgefallen. Gefühlt waren es auch damals 2/3 Frauen - habe aber keine Zahlen, die das untermauern.
Gestern nun habe ich es endlich zur Amnesty-Hochschulgruppe der HU geschafft und 11 Frauen zu 5 Männern beim Plenum gezählt. Finde ich gut.
Aufgefallen ist mir auch, dass die wenigen Männer noch immer sehr präsent waren und der Sprechanteil von Mann zu Frau wohl bei der Hälfte lag. Ganz besonders ist mir aber die extrem angenehme Atmosphäre aufgefallen, die in Runden mit vielen Frauen häufig auftritt. Menschen lassen sich eher ausreden, fallen sich seltener ins Wort, Hacken weniger aufeinander ein, wenn sie Fehler machen.
Ich muss euch sagen: ich mag das.
Spannend finde ich auch, dass Amnesty, die erste mir auffallenden Organisation ist, die sich nicht explizit mit Frauen beschäftigt, das Engagement aber trotzdem mehrheitlich von Frauen voran getrieben wird. Eine Vermutung ist, es liegt an den relativ “weichen” Themen. “Menschenrechte” lassen sich selten mit einem “Ja/Nein” beantworten, es sind immer graduelle Prozesse, die in die richtige Richtung geschoben werden. Vielleicht ist es auch die relativ geringe Engagements-Hürde, die Amnesty “von Oben” durch gute Infopakete und fertige Petitionen schon vorgibt. Das bei männlich sozialisierten Menschen häufiger anzutreffende Beweisen, was sie tolles geschafft haben, fällt damit weg. “Sich beweisen, wie viele Unterschriften sie gesammelt haben” ist kein guter Beweis, wie toll man(n) doch ist.
Vielleicht liegt es auch wo ganz anders dran. Fakt ist: Frauen können Politik. Und sie machen dazu eine unglaublich wichtige Arbeit.
Kommentare
von: Jule
heiho,
ich bin auch bei amnesty (jugendgruppe) und bezüglich der ugend-/hochschulgruppenmilieus kann ich deine schilderungen total nachvollziehen.
ich war allerdings letztens erst bei der jahresversammlung, und habe mich unter anderem mit leuten aus der kogruppe (koordinationsgruppe) menschenrechtsverletzungen an frauen unterhalten, die sehr eindrücklich von dem kampf um verschiedene frauenrechtsthemen innerhalb der deutschen sektion berichtet haben (zum beispiel gilt immer noch, für ganz amnesty, dass abtreibungen nur in fällen von vergewaltigung, inzest und “schwerwiegender” gefahr für die gesundheit der frau zu “entkriminalisieren” sind (also keine legalisierung). und amnesty deutschland hat sich sehr eingesetzt für striktere formulierungen u.ä.. außerdem hatte amnesty recht lange zeit null konzept zur geschlechtergerechten arbeit.)
aber das ist vermutlich nur so zeug, das gerade von den älteren in der sektion stark vertreten wird, und wie gesagt, bei den jugend- und hochschulgruppen habe ich dasselbe gefühl wie du : )
von: Gero
Es ging mir in dem Blogpost auch nicht darum, ob Amnesty gute Frauen-Politik macht, sondern darum, dass dort eben viele Frauen politisch aktiv sind und dabei ganz wunderbare Arbeit leisten - ohne jedes Prollgehabe :)
Das Amnesty inhaltlich noch viele andere Punkte mit aufnehmen könnte/sollte/müsste in vielen Bereichen (wie ich es persönlich auch total super fände, wenn sie Überwachungstechnologien in ihre Waffendealsforderungen mit rein schreiben würden, (denn Überwachungstechnologien sind Waffen!)), darüber lässt sich lange streiten. Je mehr Forderungen sie formulieren, je stärker machen sie sich auch angreifbar. Irgendwann kommt immer der Punkt, wo einzelne Meinungen auseinander gehen - und je mehr Meinungen aufgenommen werden, je schwieriger wird es, allen Menschen damit gerecht zu werden ohne, anderen Menschen mit anderen Meinungen auf die Füße zu treten. Und wo Meinung anfängt und grundsätzliche Menschenrechte aufhören ist schon wieder Meinung, sodass es wirklich schwierig wird, da eine ordentliche Position zu finden. Und auch wenn ich gerne noch andere Punkte in den Amesty-Forderungen sehen würde, so bin grundsätzlich doch ganz zufrieden mit den Vorhandenen und mit Amnesty als super NGO :o)
Die Akteure der Urheberechtsdebatte hören sich nicht zu. Wer sich nicht zuhört, kann auch keine gemeinsame Lösung finden.
Um einen Dialog zu versuchen, ist ein Urheberrechtsbarcamp in Wien geplant, zum kollektiven Brainstorming auf der Suche nach einer Lösung, mit der Verwertungsgesellschaften und Immaterialschaffende zufrieden sind, ohne “unser” Internet kaputt zu machen.
Die Planung für das Urheberrechtsbarcamp findet im Etherpad statt, und es gibt einen Termin-Doodle um einen Termin für das Barcamp fest zu machen.
Tragt euch ein und beteiligt euch - und vor allem: ladet Vertreter der Verwertungsgesellschaften, Kreativschaffende ein, sowie alle anderen, die vom Urheberrecht betroffen sind/leben.
Eine Urheberrechtslösung mit der alle glücklich werden, lässt sich nur gemeinsam finden.
Seit Mai 2009 spiele ich mit dem Gedanken, nun habe ich es getan.
Ich bin “Pirat”, halte das System “Partei” aber für falsch. Die Piratenpartei, das Atombombenexperimentierfeld der Demokratie - ein Ort wo mensch die Sinnhaftigkeit von Parteien hoffentlich ganz grundsätzlich diskutieren kann, was ich so hoch spannend finde, dass ich mich da nun einfach mal gucke, was passiert.
Parteien halte ich für das Hauptproblem heutiger Politikverdrossenheit. Politik ist hochkomplex - sich effektiv einbringen macht extrem viel Arbeit. Die Ochsentour verschleißt viele gute Ideen, Initiativen und vor allem Menschen.
Es gibt gute Gründe warum im antiken Griechenland kein Stadtstaat mehr als 10.000 Einwohner hatte - da kannten die Menschen sich unter einander und haben bei Problemen direkt miteinander gesprochen. Die heutige Demokratie ist eine Stellvertreter-Demokratie. Niemand ist selbst verantwortlich - immer war es jemand anders oder die einzelne Person übernimmt die Verantwortung für etwas, um Glaubwürdigkeit zu beweisen. Das diese Person aber tatsächlich verantwortlich ist, ist sehr unwahrscheinlich, da unser gesamtes Gesellschaftssystem nur durch Delegation funktioniert.
Wo nur noch delegiert wird, wird es schwierig die Bürger offen mit einzubeziehen. In dieser Krise stecken alle modernen Demokratien und insbesondere die Parteien, die die Demokratien verkörpern.
Aus eben diesem Grund halte ich Parteien per se als Teil des Problems und nur bedingt als Teil der Lösung - und aus diesem Grund habe ich es vermieden einer Partei - trotz jahrelangem politischen Engagement - beizutreten.
Mit der Piraten-Bewegung verändert sich die Parteienlandschaft nachhaltig. Es scheint, als würde es eine Neuerfindung des politischen Rads geben - und zugleich bilden sich in den Piraten auch die gleichen Muster wie in allen bisherigen Parteien auch. Es geht zunehmend um “die Partei”, um Umfragen und Machtansprüche, es bildet sich ein Fraktionszwang.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Utopie “Größtmögliche Freiheit bei maximaler Chancengleichheit” - und das große Feld von “Technik und Gesellschaft”, das im politischen Alltag bisher nur bei den Piraten gelebt wird. (Auch wenn z.B. die netzpolitischen Beschlüsse der Grünen denen der Piraten in nichts nachstehen … aber das die Grünen mit dem Piraten zusammen gehen sollten, bloggt ich ja schon mal.)
So bin ich nun teil der Piraten-Crew, will aber nicht Partei, sondern Utopie und gute Politik - unabhängig vom Parteibuch und nach Möglichkeit irgendwann ganz ohne Parteibuch. Mal sehen was sich auf dem Atombombenexperimentierfeld so ergibt und wo die Reise noch so hingeht.
Kommentare
von: rka
herzlich willkommen!
wenn du die piratenpartei als eine möglichkeit betrachtest, die deinen politischen ideen eine grundlage zum wachsen gibt, dann kannst du viel schönes erleben.
wichtig ist: sich selbst nicht vergessen und zu wissen, dass piraten kein familienersatz sind.
Frei zusammengefasst schreibt er: “Das Urheberrecht gehört abgeschafft, weil im Internet immer kopiert wird.” - und der Begründung kann ich nicht widersprechen. Ob die Abschaffung aber die richtige Folgerung daraus ist, bezweifele ich. Aber mal langsam:
Das Urheberrecht entstand aus dem Patentrecht, welches entwickelt wurde, damit Menschen die unglaublich viel Zeit (und Geld) in die Entwicklung von Ideen (Erfindungen, Geschichten, Bilder, Filme, Musik …) stecken, nicht leer ausgehen - für den Fall, dass eine andere Person kommt und ihre Ideen kopiert um sie dann selbst zu vermarkten (weil die andere Person möglicherweise besser vermarkten kann).
In Zeiten, in denen jeder Mensch arbeiten muss, damit er sich Nahrung kaufen kann und an der Gesellschaft teilhaben kann, war es zudem ein Mittel zum Lebensunterhalt verdienen. Da wir diese Zeit aber gerade überschreiten (in der Menschen sich mittels Technik selbst ihre Arbeit “zerstören”), müssen wir auch in der Urheberrechtsdebatte zurück auf Null und von Vorne beginnen.
Es geht um die Frage der Anerkennung einer anderen Person (oder Gruppe) gegenüber, die großartige Immaterialien geschaffen haben. Ein Tischler, der Schränke baut, baut Schränke, die er dann verkaufen kann (in der Theorie …). Das derzeitige Urheberrecht gibt Schriftstellern, die einen Roman schreiben, das gleiche Recht - was nun obsolet wird, weil der Inhalt quasi Kostenfrei kopiert werden kann (bis Makerbots Schränke drucken dauert das noch ein wenig). Nicht obsolet ist aber die Anerkennung für das Werk, welches Geschaffen wurde. Der Tischlerin danken wir indirekt, indem wir den Schrank kaufen und sie damit bezahlen.
Wie aber danken wir den Schriftstellern? Das ist die Frage nach der Anerkennung - und da müssen wir von vorne beginnen uns ein Modell auszudenken, wie wir uns in angemessener Form bedanken können.
Die (ebenfalls von mspro eingeworfene) Idee “warum geben wir den künstlern nicht einfach geld?” basiert auf dem Prinzip, dass Kreative sich auch selbst vermarkten - was sie häufig aber gar nicht tun wollen - und daher ja die Verwertungsgemeinschaften geschaffen haben (die uns nun zu einem so großen Problem sind). Wenn sich Kreative nicht selbst vermarkten, braucht es immernoch ein gesellschaftliches Anerkennungsmodell um sich von der Tischlerin nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie würden nichts tun und der Gesellschaft nichts zurück geben.
Flattr ist ein solches Anerkennungsmodell, da es vor allem zählt, wie viele Menschen sich wofür bedanken und damit die Arbeit anerkennen. Das es bei Flattr “auch” um Geld geht, halte ich für ein zweitrangiges Feature. Damit es aber wirklich funktioniert, müsste jeder Flattr nutzen und wir auch alles Flattrn können - was de facto nicht geht. Aber vielleicht kommen wir da ja noch hin (und wenn es nicht Flattr ist, vielleicht ein anderer Dienst, der sich noch entwickelt).
Die Frage nach dem Lebensunterhalt stellt sich nicht “nur” bei den Kreativen, sondern auch bei allen Menschen, die durch den technischen Fortschritt keine Arbeit mehr haben und muss auch aus diesem Ansatz heraus angegangen werden. Das Urheberrecht dafür zu “missbrauchen” kann das Problem nicht lösen.
Kommentare
von: Gero
Ich gebe dem Urheberrecht ja gerade ein “Ziel”: Die Anerkennung der Kreativen.
Historisch gesehen wurde das Urheberrecht sehr wohl zur finanziellen Sicherung geschaffen – nur passt das heute eben nur noch bedingt und gehört daher reformiert (oder abgeschafft, oder was auch immer).
Die Gesetzgebung ist mir selbst allerdings ziemlich egal. Es geht mir darum ein Bewusstsein und einen Ethos in dem Urheberrechtsbereich zu schaffen und die Debatte einfach weiter zu führen (viel “neues” im Vergleich zu mspro gibt’s hier ja auch nicht. Aber ich empfinde es wichtig die Debatte überhaupt so weit wie irgend möglich zu führen, damit mehr Leute davon mitbekommen und einen Ethos entwickeln können. Die Gesetzgebung wird dann nur ein staatlich verordneter Ethos sein, der sich aus der Debatte hervor tun wird.
In wie Weit Künstler “einfach bezahlt werden können” ist auch das eine moralisch-ethische Frage, wie “gut” die Gesellschaft ist – und auch dies verändert sich mit einer öffentlichen Debatte ja durchaus – auch wenn es derzeit schon sehr stark die “Kostenlos-Kultur” ist, die immer wieder angeprangert wird, muss es diese doch nicht bleiben. Und ich z.B. gehe prinzipiell davon aus, dass die Gesellschaft auch bereit ist, etwas für gute Immaterialien zu zahlen.
(Der Glaube an das Gute und so.)
von: krizm0
Was ich in der gesamten Urheberrechtsdiskussion immer vermisse ist die Frage nach dem Sinn und Zweck dieses Rechts überhaupt. Keiner (ausser ein paar wenigen) stellt die Existenz der Urheberrechts in Frage, nur scheint es keinen Konsens darüber zu geben, was überhaupt das ZIEL dieses Rechts sein soll.
Man kann doch kein Gesetz entwerfen, wenn nicht klar was das Ziel sein soll.
Ein weit verbreiterter Trugschluss ist ja, dass der Sinn des Urheberrechts die finanzielle Sicherung der Urheber herstellen soll.
Ich persönlich fand immer einen Zitat von Rick Falkvinge als sehr treffend:
“The copyright monopoly legislation is a balance between the public’s interest of having access to culture, and the same public’s interest of having new culture created.”
http://awurl.com/RhGfmAymj
Je nachdem wie die Definition des Ziels des Urheberrechts ist, kann man auch sehr schön sehen, wer überhaupt an dieser Debatte beteiligt sein sollte und wer nicht.
Wenn gefragt wird, warum wir den Künstlern nicht einfach Geld geben, müssen wir uns glaube ich die gesellschaftliche Realität vor Auge halten, die scheinbar nicht so aussieht, als ob freiwillige Zahlungsbereitschaft besteht. Zumindest nicht im kommerziellen Sektor.
http://farlion.com/archives/316-Quelle-Internet-Wer-schnorrt-denn-wirklich-im-WWW.html
Wie ich heute schon auf Twitter verkündet habe, lasse ich das mit dem Aktivismus. Ich ziehe mich zurück.
Warum?
Weil ich kann. Und weil ich will.
Wie im Winter üblich, wurde ich ende November wieder depressiv. Zunehmend dunklere Tage, ekelhaftes Wetter, kaum Freizeit. Ich habe (nachdem ich Franks Blogpost zur Winter-Depressionsbekämfpung gelesen habe) mein Tagesablauf umgestellt - und kurz danach bin ich in der Uni kürzer getreten und habe ein Fach aufgegeben. Es wurde ein wenig ruhiger und es wurde Weihnachten, der 28c3 kam - alles war gut. Dann ging die Uni wieder los und ich lag eine Woche krank im Bett. Kaum war ich zurück in der Uni wurde mir klar, dass ich Java einfach zu schlecht kann, als dass ich mich mit den “Grundlagen der Programmierung” weiter plagen sollte. Das zweite Fach von dreien schmiss ich über Bord.
Dann hatte ich wieder Zeit, mich “dem Aktivismus” zu zuwenden, was ich auch recht bald tat. Ich sortierte und laß Hunderte von Mails der AK-Vorrat-ML um mich irgendwo einzubringen - vergeblich. Mir fehlte der Punkt, an dem ich mich hätte einbringen sollen.
Vor zwei Tagen schrieb ich eine Mail auf die Liste zur Europäischen Bürgerinitiative (man überlegt im AK, ob man diese Bürgerinitiative nutzen möchte, um mit 1.000.000 Unterschriften die Kommission aufzufordern, die Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen), in der ich für eine Professionalisierung des AKV plädierte - es sollten endlich Leute bezahlt werden, die sich wirklich einbringen können und daran arbeiten könnten - statt sich vor allem in Mailinglistendiskursen zu verstricken, die häufig das gesamte Pensum an Zeit, die man für den AK “opfert”, aufbraucht. (Zumindest ist das bei mir so).
Dies wurde abgelehnt. Möglicherweise zurecht, da der AKV eben genau so funktioniert. Da wird niemand bezahlt. Punkt.
Dann setzte sich ein Denkprozess in Gang, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Genau genommen gab es ihn schon vorher, nur habe ich ihn gewissermaßen unterdrückt. Ich fragte mich “wofür” das alles? Warum bin ich eigentlich Aktivist. Dazu kam, dass ein Freund mich fragte, warum ich so selten Zeit habe “You’re always so busy … You have never time to go out!” und ich ihm erklärte, dass ich das mit dem Aktivismus ja noch neben dem Studium mache. Und genau dann feststellte, dass dieser Aktivismus mich fast 2 Jahre quasi nicht mehr ausgehen lassen hat. Alle Freizeit, die ich entbehren konnte, steckte ich darein, Mailinglisten zu lesen und selbst voll zu schreiben, auf Twitter zu ranten oder Abgeordnete anzuschreiben. Häufiger war ich auch auf irgendwelchen Kongressen und Meetings, um über Überwachungsbekämpfungsmaßnahmen zu diskutieren.
Ich stellte fest, dass ich seit dem ich im August nach Berlin gekommen bin, nicht einmal richtig feiern war (mit Ausnahme der 28c3-Afterparty, sowie Silvester - wiederum in der C-Base).
Ich glaube, meinen Rant gegen das Studium trifft das falsche Opfer. Noch immer finde ich das Studium “irgendwie” doof, aber mein Lebensinhalt stahl nicht das Studium, sondern meine falschen Vorstellungen vom Aktivismus. Ich redete mir ein, ich müsse doch noch etwas gegen die neue, personalisierte “Google+ Suche” machen, weil sie böse sei. Dies seien die tatsächlichen Aufgaben, statt in der Uni Übungsaufgaben zu lösen. Vor zwei Tagen wollte ich mich gar für das Europaparlament aufstellen lassen, um mehr ausrichten zu können, im “Kampf gegen die Bösen”.
Ich glaube ich habe mich da in etwas hinein gesteigert, in das ich mich nicht hätte hinein steigern sollen. Seit etwa 2 Jahren optimiere ich mein Leben dahin gehend, mehr Aktivismus betreiben zu können - und zugleich lasse ich mir persönlich wirklich wichtige Dinge hinten runter fallen “die können warten, bis dass wir die Welt gerettet haben”.
Und genau deshalb mache ich jetzt Schluss mit dem Aktivismus. Vorerst.
Ich habe mich von allen AKV-Listen gestrichen, um mir Ruhe zu verordnen. Ein paar andere Listen (mit deutlich weniger Traffic) lese ich weiter, um zumindest das Wesentlich mit zu bekommen. Ich brauche diese Ruhe, um mir selbst mal wieder Gedanken darüber zu machen, wie mein Leben eigentlich aussehen soll. Und was ich damit noch so anfangen will.
Diese Entscheidung ist in mir gereift. Sie betrifft zwar vor allem (neben mir selbst), den AK Vorrat - aber er ist nicht schuld. Die Leute, die sich noch immer im AK Vorrat engagieren, machen eine unglaublich tolle Arbeit. Danke dafür! Gerne würde ich mich bei jedem(!) persönlich bedanken, weiß aber, dass ich immer irgendwen unter den Tisch fallen lassen würde - und damit mir selbst, aber vor allem deren Arbeit nicht gerecht werden würde. Deshalb Danke ich nur pauschal: DANKE!
Vielleicht komme ich bald wieder. Vielleicht auch nicht. So lange aber, bleibe ich den AKV-Liste fern. Für diesen abartigen Tweet, entschuldige ich mich. Das ist Bullshit. Natürlich kann man im Aktivismus etwas erreichen - und ich fordere jeden weiter auf, sich einzumischen. Das ist wichtig. Aber, man möge sich auch weiter selbst-hinterfragen: “Was genau tue ich hier? - Und: Warum?”.
Ich suche darauf nun erst mal eine Antwort. Und sehe dann weiter.
Kommentare
von: Herr Urbach
Lieber Gero,
willkommen an dem Punkt, an dem jeder Aktivist mal steht. Ich hatte das im Februar letzten Jahres: http://blog.stephanurbach.de/?p=450
Auch das ist eine Form der Depression oder des Burnouts. Wo ist der Sinn in dem, was ich tue? Ist es effektiv? Nützt es jemanden?
Ich will dich nicht überzeugen, weiter zu machen - wen du es aber tust, such dir eine aktivismusform, die dir goutiert. Die dir zeit und Raum lässt, Dinge für dich zu tun. Gib dir selbst Raum, etwas zu tun.
Ich bin mir sicher, wir sehen uns in einem Jahr wieder - als Aktivisten auf einer Konferenz. Bis dahin: genieße das Leben. Bald ist Frühling und mit den Sonnenstrahlen kommt auch die Energie wieder. Bis dahin: Du, ich, Bier :)
Herr Urbach
von: 9er0
Lieber Herr Urbach,
ich habe die letzten beiden Tage viel an dich und deinen sehr offenem Umgang mit deinen Zweifeln am Aktivismus gedacht. Du warst der Grund, warum ich diesen Blogpost geschrieben habe, statt es für mich zu behalten, und leise, still und heimlich zurück zu ziehen.
Und ja, auch ich glaube nicht, dass ich so ganz ohne kann. Aber gerade muss ich ohne, ansonsten gehe ich daran kaputt. Und das wäre doof.
Das mit dem Bier können wir aber trotzdem (oder gerade daraum?) gerne mal wieder machen!
von: Tee Jay
Lieber 9ero,
natürlich respektiere ich Deine Entscheidung und bedanke mich herzlich für Dein Engagement im AK Vorrat. Dass Du komplett aussteigst, bedauere ich sehr, zumal ich zwischen lichterloh Brennen und Nichtstun noch viel Zwischentöne sehe. Natürlich musste bei Deinem Arbeitspensum irgendwann einmal der Punkt erreicht sein, an den selbst Idealisten wie Du an ihre Grenzen stoßen. Ich kann mir deswegen auch vorstellen, dass Du Dich eine Weile erholen musst. Danach wäre ich aber froh, Dich wieder im AK zu sehen. Der Einzige, der von Dir verlangt, Dein gesamtes Leben irgendeinem Engagement unterzuordnen, bist Du selbst. Ich kenne den Effekt, weil ich in Deinem Alter den gleichen Fehler beging. Die Antwort darauf besteht jedoch nicht im totalen Rückzug. Das wird Leuten wie Dir ohnehin auf Dauer nicht gelingen, weil Du Dich viel zu sehr für Dinge interessierst. Die Antwort lautet vielmehr, ein gesundes Maß für sein Engagement zu finden. Dieser Balanceakt ist äußerst schwierig, und Du wirst mehrmals das Gleichgewicht verlieren, aber ich behaupte, es ist der Weg, den Du gehen solltest.
von: missi
Hi Gero,
mach dir mal keinen Kopp, zuweilen ist Entschleunigung gut und richtig, um wieder auf nen grünen Zweig zu kommen. Ich kenne das selbst sehr gut, gerade aus dem Aktivismusbereich, wo ich ja auch schon ein paar Jährchen unterwegs bin: Irgendwann kommt immer (wieder) der Punkt, da wirds einfach zuviel, insbesondere dannn auch noch, wenn man immer wieder gegen Mauern rennt und das Gefühl bekommt, es geht nix weiter. Da nervt dann auch jede Email, in der dann scheinbar nur gefaselt wird.
Mach dir einfach keinen Stress, entschuldige dich nicht bei der Welt dafür, überleg nicht, was du verpassen könntest, wenn du da jetzt nicht 42²³ Emails/Links/etc. am Tag liest (Du verpasst nix, wirklich. Glaubs einfach. ;)) und mach einfach mal was ganz anderes, irgendwas, worauf du gerade Bock hast. (Bau z.B. noch ein paar Radios, die brauchen wir dann eh für den Weltuntergang. :o))
Und mach auch nicht den Fehler, dir ne Deadline für dein Comeback zu setzen (Du wirst irgendwann wiederkommen, in welchem Feld auch immer, aber du bist kein Lemming. :o)), auch wenn deine Pause Jahre dauert, mach einfach. Frustriert und gestresst kannst du auch nix bewegen, machs also nicht zu einem Zwang, wenn du keinen Kopf dafür hast: Nimm ihn weg da.
Nochwas:
“und zugleich lasse ich mir persönlich wirklich wichtige Dinge hinten runter fallen “die können warten, bis dass wir die Welt gerettet haben”.”
Es gibt nichts frustrierendes, wenn man “die Welt gerettet hat” (oder im realen Rahmen: Etwas netter machte) und dann nach Hause kommt und feststellt: Die eigene ist dabei kaputt gegangen, weil man sich nicht um sie kümmerte. Sei egoistischer und fix deine Prioritäten.
von: Lars
Hi Gero,
Finde es toll dass Du diesen Schritt öffentlich vollzogen hast. Ich war 2001 in einer ähnlichen Situation, hatte schon 2 Studiengänge hingeschmissen und bin erstmal nach Mexiko um meinen “Aktivismus” voll auszuleben. Glücklicher bin ich dabei nicht geworden.
Das Glück kehrte zu mir zurück, als ich alle Aktivitäten gecanceled und mein 3. Studium angefangen habe. Mit dem Ziel es diesmal durchzuziehen, aber nicht alleine sondern mit Leuten die ähnlich denken wie ich. Ähnlich denken bezüglich des Studiums, nicht politisch. Auf einmal rückten Leute in mein Blickfeld die ich früher übersehen hätte, Menschen die meistens in der Vorlesung waren, ihre Übungen gemacht haben und sich in allem was die Uni anging Mühe gaben. Und auf einmal ging studieren ganz leicht und auch privat kam alles wieder ins Lot.
Und die im Studium erworbenen Fähigkeiten (neben dem Informatikzeug vor allem eine realistischere Selbsteinschätzung) helfen mir heute bei jeder Art von Aktivismus und ich bin glücklich wie ich es niemals für möglich gehalten hätte.
Wünsche Dir viel Erfolg auf Deinem Weg, lass Dir nicht erzählen was Du tun mußt sondern finde raus was Du(!) tun willst um in dieser (ungerechten) Welt glücklich zu sein
Gruß
Lars
von: Alex
Hey Gero,
ich hoffe zu den Listen, die du nicht gestrichen hast, gehört auch die PNR Liste ;)
Im Ernst: Leb mal ein Studentenleben wie es sich gehört und kümmer dich um die Sachen, die du die letzen Jahre versäumt hast. Wenn du wieder Lust hast, kannst du ja wieder Aktivist werden ;) Hoff dich mal bald wieder in nem Keller der Entscheidungen zu treffen :)
Greetz Alex
von: Ingo Jürgensmann
Hallo Gero!
Schade, dass Du aufhoeren, oder wie ich eher hoffe: pausieren moechtest. Da ich das mit der Winterdepression auch schon durch habe, kann ich Franks Ratschlaege eigentlich nur bestaetigen: Licht und Bewegung waren auch bei mir sehr hilfreich. Ein anderer Punkt war aber auch, dass ich einfach wusste, dass es eine Winterdepri ist. Seitdem ich weiss, dass ich empfindlich auf Lichtmangel reagiere, hatte ich auch keine Depri mehr. Ich bemuehe mich z.B. am Fenster zu sehen, wenn ich arbeite. Und ich gehe in der Mittagspause dann auch mal raus anstatt in die hauseigene Kantine.
Was den Aktivismus angeht: ich lese ja nun wirklich nicht viele MLs und dort auch laengst nicht jede Mail, aber ich habe auch meine Aktivismusform gefunden, mit der ich gut leben kann. Ich denke und hoffe, dass auch Du deine Form finden wirst. Also goenn dir ruhig eine Auszeit! Bis dann! :-)
von: Katta
Hallo Gero,
ich kann das total nachvollziehen, dass dir das zu viel wird. Und ich habe ein schlechtes Gewissen wegen der letzten Mail von mir - vielleicht war das schließlich der letzte Tropfen der das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Du hast in den letzten Jahren unglaublich viel für den AK gemacht. Demos und Kongresse und dann auch noch dieses ständige klein-klein auf den Mailinglisten schlaucht. Manchmal ist Team-Work ist manchmal einfach nur anstrengend, weil mehr Zeit für Koordination draufgeht als für alles andere..
Ich kenne das Gefühl, dann in immer mehr Arbeit reingezogen zu werden. Ohne die notwendige Distanz und zwischenzeitliches “Abschalten” geht das auf die Dauer nicht gut. Wenn dann noch das Studium mit der Java-Keule daherkommt ist das einfach zu viel.
Ich fand den Kommentar schon ganz passend:
“Die Antwort darauf besteht jedoch nicht im totalen Rückzug. Das wird Leuten wie Dir ohnehin auf Dauer nicht gelingen, weil Du Dich viel zu sehr für Dinge interessierst.”
Vielleicht findet sich der berühmte Mittelweg irgendwann ganz von alleine, wenn man sich mal ne Atempause gönnt. Der Mensch braucht immer nen Gegenpol, sonst wird es auf die Dauer zu viel.
Ich würde jedenfalls gerne auch abseits des Aktivismus mit dir Bier trinken :)
Katta
von: 9er0
Hey Katta,
mach dir keine Sorgen - es liegt wirklich nicht am AKV - und auch nicht an irgendeiner Mail von dir (oder irgendwem anders). Vielleicht hat es mir die Augen geöffnet, was mich selbst nervt, aber es hat mich niemand vertrieben.
Den Mittelweg will ich gerade für mich ausloten. Ohne kann ich nämlich tatsächlich nicht - nur tüftele ich gerade an dem Maß und an meiner Aktivismusform.
Bier aber, klingt immer gut :D Da komme ich drauf zurück!
LG
von: rka
Moin Gero,
ich erinner mich noch sehr gut, wie ich dich das erste mal beim AK Vorrat gesehen habe, und du voller Tatendrang warst. Du hast dich sehr schnell und sehr stark engagiert, wie es viele tun, die mit voller Kraft ein Ziel erreichen wollen.
Ich glaube, dass es zu der Zeit richtig war, dass du dich so stark engagiert hast, genauso wie es jetzt für dich richtig ist, dich zurückzuziehen.
Und das ist das wichtigste: bei allem Aktivismus sich nicht selbst vergessen. Sich selbst auch nicht zu vernachlässigen. Die Welt besteht nicht nur aus anderen, sondern auch aus dir! Nur wenn es dir gut geht, hast du auch genügend Kraft, um sie ins Studium, in den Aktivismus oder anderes zu investieren.
Ich hoffe, bin mir da aber auch recht sicher, du wendest dich irgendwann wieder dem Aktivismus zu. Dann vielleicht mit einer geringeren Intensität, aber sicherlich nicht mit weniger positiven Auswirkungen.
Wie andere auch, würde ich mich auch freuen, dir abseits vom Aktivistendasein übern Weg zu laufen. Vielleicht ergibt sich das ja mal…
Beste Grüße
rka
von: Manu
Hey Gero,
ich hab das erst jetzt gelesen. Gut, dass du die Reißleine ziehst, es ist manchmal schwer, die zu finden, aber umso wichtiger, sie zu ergreifen, wenn es drauf ankommt.
Ich selbst habe das leider auch schon durchlebt, und die Reißleine, an der ich glaubte, ziehen zu müssen, hat so manche Wunde sowohl bei mir als auch bei anderen gerissen, wohl heftigere als du möglicherweise mit diesem einen Tweet.
Damit dieser Winter kein total Durchsoffener wird, biete ich dir mal lieber Teetrinken statt Bier an ;) Und bin ziemlich sicher, dass du deinen Weg als Aktivist, was auch immer das genau bedeuten mag, finden wirst, mit genau so vielen oder so wenig Kurven wie erforderlich.
Kraft tanken ist wichtig. Und sich selbst nicht verlieren. Oder jedenfalls wiederfinden.
Alles Gute
Manu
von: V.
Hallo Gero,
ein sehr trauriger aber richtiger Schritt. Es bringt nix, wenn du dich durch Aktivismus innerlich selbst zerstörst, es reichen schon die äußeren Einflüsse die uns oft genug zu schaffen machen.
Beste Grüße,
V.
PS: Habe stets ein offenes Ohr, falls du jemensch zum Reden brauchst.
Ein Unternehmen würde es “in eigener Sache” nennen. Ich nenne es “post-privacy”. Es geht um mich.Lange wollte ich endlich studieren - dann endlich begann ich ein Philosophie-Studium in Freiburg und die ersten Zweifel kamen. Ja, Zweifel während des Studiums sind normal, sowie man immer mal wieder Zweifel bekommen wird - und muss. Wer nicht zweifelt, der denkt nicht.
Nach einem Semester, als mir eine geschrieben Prüfung nicht anerkannt werden konnte, weil ich mich zur Nachprüfung mit Daten anmelden hätte müssen, die in einem Brief gestanden haben, den ich nie bekam, habe ich das erste Mal ernsthaft darüber nachgedacht, mein Studium “hin zu schmeißen”. Kurz danach habe ich mich nach Alternativen umgesehen und wollte nach Berlin kommen. Schließlich habe ich mich hier beworben und wurde genommen - nur nicht in Philosophie, was ich eigentlich weiter machen wollte, sondern in Mathe und Informatik als Kombi-Bachelor. Ein Kombination, zu der es keine Studienordnung gibt - und man eben deshalb wechseln sollte.
Das wiederum wollte ich auch noch nicht, da ich zum Sommersemester (Bewerbungsfrist ist der 15.1.(!)) mich auf Philosophie als Hauptfach bewerben wollte (habe ich noch nicht und überlege gerade, ob der Aufwand lohnt) und ich dafür aber im Kombi-Bachelor bleiben sollte. (Die Empfehlung war, sich als Monobachelor für Mathe oder Informatik einzuschreiben).Seit dem studiere ich nur Informatik. Ich besuche alle Veranstaltungen der Mono-Informatiker (die ich als Kombi-Bachelor Nebenfach auch machen würde - aber eben nicht alle in einem Semester ;-) ), weil ich das prinzipiell spannend finde. Die Umsetzung ist allerdings wieder dieses Kleinkindhafte: “Löse diese Hausaufgaben zu nächster Woche. Du musst xzy% aller Aufgaben richtig lösen, damit du zur Prüfung zugelassen wirst”. Und es nervt mich. Ich will keine Aufgaben lösen, sondern lernen. Ich will Wissen erlangen, statt dumme Hausaufgaben zu erledigen. Nein, sie sind nicht vollkommen sinnlos, denn auch dabei kann man lernen - häufig lernt man (ich zumindest) aber genau nichts dabei, sitzt aber 10 Stunden an ein paar Aufgaben, um für eine Prüfung zugelassen zu werden, um ein paar Punkte zu bekommen, die Sagen, dass man dies nun kann. Ob das tatsächlich so ist, ist irrelevant.
Das nervt mich.
Und genau deshalb denke ich seit einigen Wochen wieder drüber nach, das Studium “hin zu schmeißen”. Hinzu kommt, dass ich nicht sehe, dass die Universität sich mit der Welt beschäftigt. Wir haben so viele Probleme in der Welt - aber ich sehe nicht, dass sie in der Uni angegangen werden. Das passt nicht in die Richtlinien. Ich glaube: “Börokratie fressen Uni auf”. Es geht doch nicht darum, “Punkte” zu sammeln, sondern darum, etwas zu lernen? Alle erbrachten Punkte bringen doch nichts, wenn man nichts gelernt, sondern gut abgeschrieben hat. Das “Plagiieren” ist natürlich verboten - aber wir alle tun es. Dauernd. Anders können wir den Anforderungen der Uni nicht gerecht werden. Niemals könnten wir das alles alleine machen - dafür ist die Arbeitszeit zu kurz. Ja, vielleicht sind wir alle faul und sollten mal “ordentliche 40 Stunden die Woche arbeiten!!11!1!”, vielleicht lässt sich lernen aber auch einfach nicht in Stunden messen. Wir sind nicht an der Uni um Arbeit zu leisten, sondern um zu lernen, Systeme verstehen, Wissen erlangen. Begreifen.Studere heißt auf Latein: sich bemühen. Es geht um das sich bemühen. Selbst machen, nicht Vorgaben bekommen und auswendig lernen. Und ja, auch mentale Arbeit strengt an. Natürlich kann man damit keine 40 Stunden konsequent durcharbeiten, sondern braucht Pausen. Wer das nicht versteht, hat die Idee des Studierens nicht verstanden.
Zurück zu mir. Ich habe das Gefühl selbst mit dem besten Willen an der Uni nichts erreichen zu können. Ich forsche gerne und erlange gerne neues Wissen. Ich bin der festen Überzeugung, Wissenschaft ist super - aber ich sehe nicht, wie sie in der Uni ordentlich umgesetzt wird. Oder wie mspro einst twitterte: “Das Internet ist meine Uni” Und ja, auch ich fühle so. Die größte Bibliothek, die wir haben, ist das Internet - und auch das schnellste. Nie waren Querverweise schneller als ein Link. Warum, aber ist all dies noch nicht in den Unis angekommen?Das sind meine offenen Fragen - hinzu kommt, dass ich gerade so viele wirklich wichtige Themen sehe, die so dringend behandelt werden müssen (wie gerade der Versuch von Google, das Internet zu übernehmen) und zu denen ich gerne arbeiten würde - aber stattdessen arbeite ich an Hausaufgaben. Das fühlt sich so falsch an.
Und damit bin ich mal wieder am Überlegen, mein Studium “hin zu werfen” und mir einen echten Job suchen, in dem ich an “echten Problemen” arbeiten kann - und zugleich einfach den unbürokratischen Zugang zu all dem Wissen bekommen kann, dass mich gerade interessiert. Vielleicht schaffe ich es auch dann, all die Bücher mal zu lesen, zu denen mich das Studium gerade nicht kommen lässt … (z.B. das Kapital von Marx oder die Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas).
An dieser Stelle stehe ich mal wieder und weiß nicht weiter. Und gucke mal, ob es sich gelohnt hat, die Gedanken zu veröffentlichen - und gute weitere Gedanken (von euch!) hinzukommen.
Kommentare
von: Robert
Für das Informatik-Studium (und andere technische Studiengänge) an den meisten Unis gilt leider:
Das Grundstudium ist eine lange und schwer zu ertragende Durststrecke. Es ist unglaublich viel Arbeit, es ist trocken und vor allen Dingen macht es wenig bis gar keinen Spaß.
Wer das Grundstudium nicht schafft, der ist (in den Augen der Dozenten etc.) nichts wert.
Das Grundstudium ist meist sogar so viel Arbeit, dass man gar keine Zeit mehr für private Experimente hat, mit denen man den Spaß-Mangel ausgleichen könnte.
Jedenfalls kann ich gut nachfühlen, was du beschrieben hast. Auch ich stand mehrfach davor, das Studium hinzuschmeißen - besonders im Grundstudium. Das ist bedenklich, denn ich brenne eigentlich leidenschaftlich für die Informatik und bin inzwischen auf meine eigene Art ein Überflieger* (bei mir sind es die Leidenschaft und der Ehrgeiz statt überragende Intelligenz).
Wenn sogar *ich* diese Erfahrungen gemacht habe bzw. bestätigen kann, dann muss wirklich etwas kaputt sein. ;-)
* B.Sc.-Abschluss mit 21 Jahren (Studienbeginn mit 18) und sehr guten Noten
von: 9er0
Haha!
Danke für den Kommentar und die Anregungen. Ich schlafe nochmal eine Nacht drüber - und hoffe dann einfach, dass der FoeBuD meine Bewerbung annimmt: http://www.foebud.org/aboutus/foebud-sucht-campaigner-redakteurin-m-w-fuer-buergerrechte-datenschutz-und-netzpolitik/
Damit würde ich dann eine 24h-Stelle haben, sodass ich nicht mehr voll studieren könnte - aber vielleicht verleiht mir dies den entsprechenden Abstand, dass ich es wieder zum Studieren schaffe - und das auch “gerne” tue. Nur bin ich mir noch immer unsicher, ob ich wirklich Informatik weiter machen möchte - oder neben Philosophie, vielleicht nicht doch noch was anderes wähle. Möglicherweise mache ich noch Mathe dazu - aber auch da muss ich nochmal eine Nacht drüber schlafen.
Dir nochmal ein: DANKESCHÖN!
von: teiler
Hey, wollte nur sagen ich finde mich in deinem Text teilweise wieder. Auch ich bin mit hohen Erwartungen an die Uni (Master in Computer Science in Schweden) gegangen, so von wegen Ort des Wissens, Humbold’sches Bildungsideal etc. und wurde jäh enttäuscht. Das Studium wirkt auf mich verschult und altbacken. Bücher lesen, Aufgaben erledigen, Klausuren schreiben. Klausuren schreiben! In Funktionaler Programmierung! Aber eine Alternative zur Uni sehe ich nirgends am Horizint. Man muss halt das Beste draus machen.
Ihr solltet ihren Artikel lesen. Ich gebe Ihr recht. Quasi in allen Punkten.
Algorithmen verdammen ist grober Unfug. Wir brauchen sie und können ohne sie nicht mehr klarkommen. Es ist egal, ob es die Banken sind, die darauf angewiesen sind, oder ob es unsere alltägliche Informationsverarbeitung ist. Wir können nicht mehr ohne Algorithmen in der heutigen Welt leben; und es sinnbefreit, Algorithmen als solches zu verdammen. Die Frage nach den “Ja” oder “Nein” zu Algorithmen stellt sich nicht.
Ich gebe ihr allerdings nur in quasi allen Punkten Recht. Algorithmen verdammen ist mit unter: feiner Fug.
Sie schrieb:<blockquote>Der Informatiker David Gelernter kritisierte im April 2010 in der FAZ im Zusammenhang mit Klimamodellen, die Softwaremodelle, auf die wir uns verließen, seien zu komplex. Ihre Urteile ähnelten “den unerfindlichen bürokratischen Diktaten eines kafkaesken Staats, denen fraglos Folge zu leisten ist, obwohl keiner sie erklären kann”.
Der entscheidende Unterschied zum kafkaesken Diktat ist aber bei Empfehlungen wie bei Klimamodellen, dass man problemlos feststellen kann, wie zutreffend sie sind. Den empfohlenen Film sieht man sich an, beim Klima muss man ein paar Jahre warten, aber in beiden Fällen ist die Übereinstimmung von Prognose und Realität leicht zuüberprüfen.</blockquote>
Ich kritisiere sie dafür, dass sie davon ausgeht, dass die Algorithmen zwar nicht mehr a priori untersuchbar bleiben, aber ihr Ergebnis doch einfach überprüft werden könne.
Ganz so einfach ist es eben nicht. Denn mit der durch Algorithmen gegebenen Information verändert sich die eigene Welt. Jeder auf uns einströmende Information verändert uns “irgendwie”. Voraussagen verändern die Zukunft - da sie nicht “festgelegt” ist. Wenn wir aber vermeintlich wissen, wie die Zukunft werden wird/soll, können wir dagegen arbeiten, oder dafür.
Wenn wir uns aber auf Algorithmen verlassen (und das tun wir alle) und niemand weiß, ob sie überhaupt richtig sind, verlassen wir uns auf eine Zukunft, die möglicherweise gar nicht wahr ist. Wir beginnen für oder gegen eine Zukunft zu arbeiten, die es möglicherweise gar nicht gibt - weil der Algorithmus, der sie ausspuckte, falsch liegt. Damit aber verändern wir unweigerlich die “echte” Zukunft - und das vielleicht auf eine ganz andere Weise, wie wir das eigentlich wollten. Ihr Punkt “Es wird sich heraus stellen, ob sie richtig sind oder nicht” greift hier nicht weit geung. Zukunft kommt nicht aus dem Objektiven, sondern aus der Subjektivität alles Seins. Zukunft gibt es nur in der eigenen Welt - ohne die vermeintlich objektive, die uns alle umgibt.Wie man nun aber damit umgeht, weiß ich nicht. An eben dieser Stelle habe ich keine ethische Handlungsempfehlung. Ich weiß nicht, ob es “besser” ist, sich darauf zu verlassen, oder eben nicht. Und genau daran müssen wir arbeiten. An der Ethik. An der Ethik der Algorithmen, des Kontrollverlustes und des Digitalen. Und hier wieder stimme ich Kathrin Passig zu, dass ein einfaches “die Algorithmen sind böse” zu undifferenziert klingt und den eigentlichen Kern nicht trifft.
Kommentare
von: V.
Seltsam, sie schreibt im Exposé: “Was in die Liste kommt, entscheiden Algorithmen. Diese Programme wurden in letzter Zeit häufig kritisiert - doch viele machen es sich dabei zu einfach.”
Dabei sind Algorithmen und Programme doch sehr unterschiedliche Dinge - wie jeder Informatik Studierende in den ersten Semestern lernt. Liegt hier nicht schon das Missverständnis?
von: 9er0
Hmm … puh. Gute Frage. Ich glaube, diese Frage müssen sich aber alle FeutonnistInnen stellen. Ich behaupte, dass vielen von ihnen den Unterschied nicht kennen. Aber das ist nicht mein Punkt den ich kritisiere (aber vielleicht ein 2. :) )
von: Daniel
In dem Zusammenhang kann ich folgende Links empfehlen. Der Autor hielt dazu vor einiger Zeit eine sehr gute Lesung in der FU Berlin.
Scilogs sollte Punkte in den Überschriften nicht in den Link übernehmen … Kein Brower erkennt, dass der Punkt am Ende des Links mit in die URL gehört.
Hinweis daher: URL manuell copy-pasten …
(Und auf PDFs Linken ist manchmal ja ein wenig Ansträngend :) )