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Moderation


Digitaler Salon

- in: ideas moderation

Pausengespräche auf der openmind 2015.
Foto: CC0 by @insideX

Mit Pandemie und Social Distancing, fehlen mir Gespräche. Mir fehlen Anlässe Menschen zu treffen, die nicht im engsten Freundeskreis sind und an die ich keine konkrete Anfrage habe. Mir fehlt der Anlass, sie “casual” zu treffen und in entspannter Atmosphäre vom einem Thema aufs nächste zu kommen.
Mir fehlen Konferenzen, denn Konferenzen sind nicht in erster Linie für Vorträge oder Workshops da - sondern für Pausengespräche. Vorträge und Workshops sind oft eher der Vorwand, um zu einer Konferenz zu gehen - und der Ausgangspunkt für interessante Gespräche. Es werden Bekannte wieder getroffen und neue Menschen kennengelernt.

Bei Online-Konferenzen und Vorträgen funktionieren Pausengespräche allenfalls mäßig gut. Nur Textchat ist ziemlich formal und in Zoom-Meetings mit 50 Leuten, kann sich niemand sinnig unterhalten. Die Gruppen müssen kleiner sein, um tatsächlich ein spannendes Gespräch zu ermöglichen. In meiner Erfahrung gibt es selten Gespräche, an denen mehr als 5 Personen zeitgleich aktiv beteiligt sind. Wenn mehr Menschen sich versuchen daran zu beteiligen, braucht es eine Redeleitung und Moderation, da auch in einem Zoom-Meeting mit 50 Menschen nur einem Menschen zugehört werden kann. In klassischen Pausengesprächen, sind die Runden deutlich kleiner - und trennen sich auf, sobald sie zu groß werden um mehrere Gespräche zeitgleich zu ermöglichen.

Ich glaube, das kann online durchaus funktionieren und möchte das gerne austesten.

Am Freitag, 27.11.2020 um 19.00 Uhr via Big Blue Button

Ausgangspunkt zum gemeinsamen Abschweifen ist die Frage “Schafft Sprache Realität?”.
Ich werde anfangs ein bisschen darüber reden, was ich zu dem Thema gelesen habe und dann gucken, wo sich das Gespräch hin entwickelt.

Es wird nur den kurzen Impulsvortrag, keine Folien und weder Aufzeichnung noch Protokoll geben. Es gibt an Teilnehmende keine Ansprüche zur Vorbereitung. Schön wäre eine Bereitschaft, sich an dem Gespräch aktiv zu beteiligen, Fragen zu stellen und eigene Ideen und Assoziationen beizutragen, sowie im Ton des Gesprächs auch bei unterschiedlicher Meinung freundlich zu bleiben.

Die Veranstaltung soll ein Safe Space für Frauen, LGBTIQ und BIPoC sein. Rassismus, Sexismus, Ableismus und LGBTIQ-Feindlichkeit führen zum Ausschluss. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es primär um Respekt und die Intention geht, sich inklusiv zu verhalten, nicht um eine angebliche “Sprachpolizei”. (Ob es sowas wie eine Sprachpolizei überhaupt gibt/geben kann, darf gerne Teil des Gesprächs werden.)

Ich bin sehr gespannt, ob und wie gut das funktionieren wird. Und ob es eine Fortsetzung geben wird - und wenn ja, in welchem Rahmen. Aber das wird sich zeigen.

Freundliche Menschen dürfen gerne mitgebracht werden.

update 2020-12-01

Am Freitag haben wir beschlossen, dass wir den digitalen Salon bis auf weiteres wöchentlich veranstalten - immer freitags, 19.00 Uhr. Beim nächsten mal wird es einen kurzen Input zu “Häusern” geben - und dann wieder abgeschweift, wo immer uns die Assoziationen hintreiben.


Selbsthilfegruppe Prokrastination

- in: moderation personal ideas

Ich habe ein Prokrastinationsproblem. Einiges bekomme ich in meinem Leben ganz gut auf die Reihe und ein paar Dinge fallen mir super schwer und ich schiebe sie Monate und Jahre vor mir her. “Einfach machen” funktioniert “einfach” nicht und ich glaube, ich habe verstanden, warum und habe eine Idee, wie die Hilfe/Struktur aussehen könnte/sollte, damit ich die ewig prokrastinierten Projekte doch noch hin bekomme.

Projekte, die ich nicht prokrastiniere, sind Projekte mit mehr sozialer Kontrolle. Egal, ob wirklich feste und externe Deadlines (feste Prüfungstermine) durch Dritte oder das Projekte, die ich nicht alleine, sondern im Team bearbeite.

Ich habe immer wieder versucht die festen Deadlines zu erzwingen, aber wenn ich die Deadlines setze, sind sie nicht fest genug. Ich weiß ja, dass es meine selbstgesetzten Deadlines sind - und es eigentlich nur mich interessiert, ob ich die einhalte, oder nicht.

Zeitweise habe ich Coworking Spaces gearbeitet, in der Hoffnung, dass mir das genug sozialen Kontrolle/Druck gibt, mich um meine eigenen, prokrastinierten Projekte zu kümmern. Coworking Spaces machen mich teils sehr produktiv, aber das vor allem für Projekte, in denen auch andere Menschen involviert sind. Sie verstärken meine Prokrastination gewissermaßen sogar. Noch mehr an anderen Projekten arbeiten, um sich nicht mit den eigenen Projekten auseinandersetzen zu müssen.

Was ich also brauche, ist nicht Menschen um mich herum beim Arbeiten, sondern Menschen, die an meinen Projekten interessiert sind. Ich brauche Menschen, die meinen Fortschritt kontrollieren. Mit denen ich regelmäßig bespreche, wie ich voran komme - oder wenn ich nicht voran komme, warum ich das nicht tue.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht der einzige Mensch bin, der aus eben jenem Grund prokrastiniert; dem die soziale Kontrolle fehlt.

Wenn es davon aber mehrere gibt … warum tun wir uns dann nicht zusammen und bilden eine Gruppe, die sich gegenseitig - freundlich - kontrolliert? Die sich jede Woche trifft und der restlichen Gruppe erzählt, wie das vormals prokrastinierte Projekt so voran geht? Eine Selbsthilfegruppe für Prokrastinateur*innen.

Genau das möchte ich anbieten. Ein wöchentliches Treffen zur Projektbesprechung - ähnlich einer Teambesprechung. Nur, dass es nicht um ein Projekt geht, dass das gesamte Team gemeinsam angeht, sondern um viele eigene Projekte, die trotzdem besprochen werden können - und vielleicht auch sollten, damit sie voran kommen.

Wenn es einige Leute in Berlin gibt, die daran Interesse haben, lasst uns gerne ein wöchentliches Treffen in Berlin haben, wenn interessierte irgendwo auf der Welt sind, gerne auch per Videokonferenz. Offline Meetings sind oft effizienter als Videokonferenzen, aber auch Videokonferenzen funktionieren ganz okay.

Wer hat Interesse an einer Prokrastinations-Selbsthilfegruppe?

Schreibt mir: gero [at] zweifeln.org

In der Mail wäre eine kurze Vorstellung schön, wer ihr seid und was eurer Projekt ist, dass ihr prokrastiniert - und wann euch ein solches Treffen gut passen würde: eher vormittags, eher nachmittags, eher abends - und wenn es einen präferierten Wochentag gibt, auch gerne den. (Daraus baue ich dann ein Doodle zur genaueren Terminfindung.)

Mein Projekt ist mein Fernstudium … dem seit Jahren ein paar Hausarbeiten und die Bachelorarbeit fehlt. Und wenn das geschafft ist, gibt es noch ein Buchprojekt, eine Politkampagne, ein Filmprojekt und ein Homeserver-Projekt … aber zuerst das Fernstudium beenden.

Update 2020-01-14

Nach einigen Rückmeldungen wurde mir klar, dass ich besser erklären muss, was eigentlich meine Idee dieses wöchentlichen Treffens ist - und vor allem, was es nicht ist.

Ich bin kein Psychotherapeut und traue mir nicht zu, eine Gruppentherapie zu leiten. Ich will auch keine Gruppentherapie. Ich will keine Runde, in der wir über Prokrastination reden. Ich will eine Runde, in der wir über die Projekte reden, die wir prokrastinieren.

Ich will den Fokus auf den Projekten, die wir alle vor uns her schieben. Ich will nicht wöchentlich abstrakte Gespräche über “Prokrastination” und Tipps, wie abstrakt weniger prokrastiniert werden kann, sondern konkret über einzelne Vorhaben reden.

Ich will, dass wir uns gegenseitig Hausaufgaben zu unseren Vorhaben geben - und damit selbst für Struktur sorgen, die wir brauchen, um unsere Vorhaben umzusetzen.

Schema Arbeitsentwicklung von Prokrastination
Ich will von dieser aus der Wikipedia kopierten Darstellung …
Schema Arbeitsentwickling, wie ich sie mir mit dieser Selbsthilfegruppe wünsche
… zu dieser selbstgebauten.

Denn insbesondere bei Vorhaben, die (noch) keinen festen Endtermin haben, fehlt auch die “Oh jetzt wird’s knapp!” Entwicklung … und die Vorhaben dümpeln nur so vor sich hin.

Es geht mir darum, wöchentliche, “kleine Deadlines” zu haben. Und ich lernte, dass die für mich nur funktionieren, wenn es auch Menschen gibt, die kontrollieren, dass ich sie einhalte. Im Gegenzug biete ich an, eben jene “kleine Deadlines” für andere Menschen zu kontrollieren.

Und weil wir dauernd kleine Deadlines brauchen: wer mitmachen möchte, möge bis spätestens Freitag, 17.01.2020, 14.00 Uhr eine Mail an gero [at] zweifeln.org schreiben. Und dann gucke ich, wie viele wir sind und wann/wie wir uns treffen können und wie es weiter geht.


#z2x

- in: rant moderation

Ich war auf dem Festival der neuen Visionäre - organisiert von Zeit Online. Ein Festival für Menschen mit “Idee[n], um das Leben besser zu machen” im Alter von 20-29. Es wurden 500 Leute nach vorheriger Bewerbung eingeladen.

Dieses “Festival” (das eigentlich eine Konferenz war) hat für mich aus mehreren Gründen nicht funktioniert und ich will aufschreiben, warum.

1. Kommunikation

Mir wurde nicht klar, was genau Zeit Online mit diesem Festival erreichen wollte.

Mein Verständnis war: neue Gesellschaftsvisionen diskutieren; einen positive Ausblick auf eine Welt richten, die gerade wirkt, als würde sie untergehen. Eine Veranstaltung die sich vor allem an Aktivist*innen richten.

Dem war offenbar nicht so. Mein Eindruck der Leute war eher links-alternativ bis liberale “irgendwas mit Medien”-Menschen, aber insgesamt wenig aktivistisch. Irgendwie wollten schon alle die Welt verbessern, aber kaum wer hatte einen konkreten Vorschlag, wie die Welt denn nun besser wäre.

Wenn es ein vorher definiertes Ziel dieser Veranstaltung gab, warum wurde es nicht offen kommuniziert? Wäre mir der Ablauf im Vorfeld klarer gewesen, wäre ich nicht hingegangen.

Zudem war die Website unübersichtlich. Die aufgehängten Session-Pläne waren zu klein und beinhalteten keinerlei Infos außer dem Namen der Session. Jede*r bekam einen Gebäudeplan um sich zurecht zu finden. Warum gab es nicht auch einen Sessionplan? (Und Internet via WLan funktionierte nur ~50% der Zeit - ber das ist ja eher normal auf Konferenzen.)

2. Programm

Schon als der erste Entwurf des Programms veröffentlicht wurde, war ich eher … unbeeindruckt. Vielleicht liegt das daran, dass ich die letzten sechs Jahren auf etwa 50 verschiedenen politischen Konferenzen war und mit der openmind-Konferenz zwei Jahre lang selbst ein Programm für eine Konferenz gemacht habe, bei der es sich vor allem um politische Visionen dreht.

Vielleicht liegt es auch daran, dass es keine richtigen Vorträge gab und es daher schwierig wird, einem Thema wirklich auf den Grund zu gehen. Die “Frag mich alles”-Sessions liefen besser als erwartet (siehe meinem Blogpost über das Session-Format “Frag mich alles”) - aber wirklich Tiefgang haben sie trotzdem nicht erreicht. Die Workshops habe ich gar nicht verstanden. Inzwischen sollte doch allgemein bekannt sein, dass “Brainstorming” in Gruppen keine besonders guten Ideen hervor bringt. Zumal: wenn Menschen mit eigenen Visionen zum Festival kommen, warum werden sie mit Workshops und ganz anderen Aufgaben belagert, statt an ihren eigenen Ideen zu arbeiten? Oder diese zumindest miteinander zu diskutieren? (Warum wurden bei der Bewerbung nicht die eigenen Visionen abgefragt, sondern nur ob/welche Session angeboten wird?) Die Workshops waren 2h lang - und es liefen nur Workshops parallel. Warum konnten Teilnehmende nicht auswählen, ob sie in Workshops gehen, oder Vorträge hören? (Warum gab es als Vorträge überhaupt nur die 5min-Blitzvorträge, die Themen allenfalls anreißen, nicht aber umfassend bearbeiten können?) Und was passiert jetzt im Nachhinein mit all dem Workshop-Output? Kam da irgendeine Idee zustande, die tatsächlich noch weiter verfolgt wird?

3. Location

Das Radialsystem ist zu klein für 500 Leute in vielen verschiedenen, parallel stattfindenden Sessions - insbesondere wenn etwa die Hälfte in den kleinen Räumen oben durch die engen Treppen stattfindet. Es war gut, dass zumindest unten schon abgefangen wurde, wenn die gewünschte Session schon voll ist, aber befriedigend war das nicht. Zudem war es nirgendwo gemütlich. Alles wirkte etwas überlaufen und hatte eher Messe-Feeling. Auf Messen können Dinge verkauft werden, aber da werden keine neuen Visionen entwickelt.

4. mediale Omnipräsenz

Auf einer Veranstaltung einer Medienorganisation wird entsprechend interviewt, gefilmt und fotografiert. Hätte ich auch vorher drauf kommen können, machte die Atmosphäre aber nicht unbedingt entspannter. Ich hatte vor, selbst einzelne Leute für eine Podcast zu interviewen, was sie so machen und warum - aber die Idee habe ich sehr schnell verworfen. Vor allem wegen der schon vorhandenen medialen Omnipräsenz und dem Mangel einigermaßen ruhigen, entspannten Räume.

5. Freibier

Die Abendveranstaltung bestand im Wesentlichen aus Freibier. Das wirkt mir eher nach einem Junggesellenabschied, als nach einer visionären Veranstaltung. Nichts gegen Party, Alkohol und Drogen - aber mir fällt keine Veranstaltung ein, bei der die Gespräche durch Freibier spannender wurden. (Ich bin dann auch gegangen.) Essen ist teuer und die Portionen sind klein, aber der Alkohol ist umsonst. Ich verstehe das nicht.

6. wenig neue Ideen

Dafür, dass es das “Festival der neuen Visionäre” war, habe ich wenige visionäre Ideen wahrgenommen. Wenige Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit (Klimawandel, Digitalisierung, Arbeitsveränderung, Überalterung der westlichen Welt, Suizid, Rassismus, Schere zwischen Arm und Reich, Kriege, Seuchen, …). Das Bedingungslose Grundeinkommen wurde diskutiert. Ansonsten gab es einige Initiativen, aber ich nahm weiter nichts Visionäres war. Die drei weiter geförderten Ideen sind ein geschenktes Interrail-Ticket zum 18. Geburtstag um Jugendlichen mehr Europa zu zeigen (Woohooo \o/), Jugend Rettet - eine Rettungsaktion um weniger Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen (sehr gut und wichtig) und “Köln spricht”, eine Initiative die politische Beteiligung erleichtern soll. Alle drei klingen gut und sinnvoll - sind aber keine gesellschaftlichen Visionen. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es eher um ein “ihr könnt euch einbringen” als um neue Visionen ging.

Was gut war

Es gab einige spannende Leute - und spannende Gespräche (außerhalb der Sessions). Und die Sessions wurden gut moderiert.

Fazit

Für Menschen, die gerade auf ihrer ersten Konferenz gewesen sind, mag das ein schönes Erlebnis gewesen sein. Ich fand es eher sehr ernüchternd bis nervend. Und hätte es wirklich schön gefunden, wenn im Vorfeld klarer kommuniziert werden wäre, dass die Konferenz nichts für Menschen ist, die sich schon länger mit politischen Visionen beschäftigen.

Ich habe diesen Text u.a. geschrieben, weil mich die mangelnde öffentliche Kritik nervt und ich zumindest ein paar Anregungen geben will, was nicht so toll lief.


Sessionformat: frag mich alles

- in: moderation

Am kommenden Wochenende bin ich auf dem Festival der neuen Visionäre. Dort gibt es das Sessionformat “Frag mich alles” - offensichtlich angelehnt an Reddits “Ask my anything”. Spannende Menschen hinstellen und sie ausfragen lassen, klingt großartig.

Ich glaube, dieses Format kann gut funktionieren, um Lebensrealität von herausragenden Menschen aufzuzeigen. Wie trinkt Barack Obama eigentlich seinen Kaffee? Wie gehen Tour-de-France-Fahrer auf die Toilette während des Rennens? Warum entschied sich Angela Merkel von der Forschung in die Politik zu wechseln? Und wie lautet eigentlich ihr Kartoffelsuppenrezept? Warum trägt Christian Ströbele immer diesen roten Schal? Hat er da eine Geschichte zu? Warum tun sich Parlamentarier*innen den stressigen Politiker*innen-Alltag an? Warum trägt Kübra Gümüsay ein Kopftuch? Und warum ist Gesine Schwan eigentlich Mitglied der SPD?

Ich finde diese Fragen spannend, denn sie alle geben ein wenig Auskunft über das Leben von herausragenden Persönlichkeiten - und sind Fragen, die am Rande eines Vortrages nicht gestellt werden. Es sind Fragen, die auch in Interviews selten gestellt werden. Es sind Fragen, die eine sehr menschliche Seite dieser Persönlichkeiten zeigt und manchmal durchaus spannende Anekdoten hervor bringen. Und es gibt Fragenden die Möglichkeit inspirierende Menschen in ihren Leben mal fragen, was sie schon immer fragen wollten.

via GIPHY

Was ich allerdings nicht für klug halte, ist einen Kurzvortrag vor den “Frag mich alles”-Sessions - denn damit ist die Richtung der Fragen weitgehend vorgegeben. Wenn eine Person über Robotik spricht, möchte ich sie nicht nach ihren Schuhen fragen. Und: alle Menschen, die mehr als eine Konferenz besucht haben, kennen das Problem der offenen Fragerunden am Ende einer Session: die Fragen verkommen sehr häufig zu wenig hilfreichen Koreferaten.

Auf dem “Festival der neuen Visionäre” gibt es einen kurzen Einführungsvortrag der Personen, bevor sie in die Frag-mich-Alles-Runde gehen. Ich fürchte, dass wird sehr langweilig werden, aber ich bin gespannt - und werde nach der Veranstaltung ein Update hier schreiben und berichten, wie dieses Sessionformat funktioniert hat.

[Update 04.09.2016]

Die zwei Fragesessions, bei denen ich war, waren tatsächlich eher langweilig - aber weit weniger schlimm als erwartet. Nach @kuebras Fragesession habe ich etwas mit ihr über das Format geredet. Sie hatte den spannenden Punkt, dass diese Fragesession die Ebene zwischen Vortragenden und Fragenden deutlich kleiner macht und sich eher auf Augenhöhe unterhalten wird. Dem muss ich zustimmen, es fühlte sich sehr nach Gespräch auf Augenhöhe an. Allerdings machte genau das auch, dass die Sessions etwas oberflächlich blieben und irgendwie keine gut zu debattierenden Thesen hervorbrachten.

[/Update]


Über Neutralität und Fairness

- in: politics moderation

Ziel: Gerechtigkeit. Sowohl Neutralität als auch Fairness haben einen Anspruch darauf gerecht zu sein und niemanden zu bevorteilen oder zu benachteiligen. Und doch gibt es einen großen Unterschied, ob ich mich zu einem Konflikt neutral verhalte und mich nicht einmische, oder ob ich einer Konfliktseite beistehe und Position beziehe.

Auf dem 30c3 gab es den Talk “No Neutral Ground in a Burning World” von @quinnnorton und @dymaxion, in dem sie sehr gut erklären, wo das Problem der Neutralität liegt:

Neutralität ist häufig der Vorwand, sich nicht um ein Problem zu kümmern und Ungerechtigkeiten geschehen zu lassen. Neutralität kann keine moralische Instanz sein (wie auch die FDGO nicht als moralische Instanz funktioniert).

Auf dem Landesparteitag der Piraten Bremen haben ich als Versammlungsleitung einen Homophobie verharmlosenden Redebeitrag angemahnt und damit die absolute Neutralität als Versammlungsleitung verletzt und ein Stück weit Position bezogen, indem ich den Redebeitrag bewertet habe. Die Person konnte meine Mahnung nicht nachvollziehen und wollte lieber die Mahnung als die laufenden Beratung eines Satzungsantrages diskutieren. Weil sie auch auf mehrfache Anordnung dies zu unterlassen und dem Angebot, ihm das gerne später zu erklären, nicht nachkam, habe ich meine Machtposition als Versammlungsleitung genutzt und die Person der Versammlung verwiesen. (In der Hoffnung, dass Ruhe einkehren würde und der Parteitag weiter gehen würde. Tat er nicht. Es gab Tumult und schließlich haben wir den Parteitag auf Sonntag vertagt, damit sich alle wieder beruhigen können.)

Immer wieder denke ich darüber nach, ob ich damit meine Befugnisse als Versammlungsleitung überschritten habe und ob meine Handlung richtig war. Und ja, ich glaube, es war richtig nicht neutral, sondern fair zu sein - gerade aus der Verantwortung heraus einer Machtposition, wie sie die Versammlungsleitung nun einmal ist.

Neutralität ignoriert den Konflikt. Aber wenn ich meine Augen verschließe, verschwindet der Konflikt nicht. Seid im Zweifelsfall besser fair als neutral.