Universitäten nerven mich. Ich habe bisher an vier verschiedenen Universitäten - Uni Freiburg, HU Berlin, FU Berlin und Fernuni Hagen - in vier Studiengängen sechs verschiedene Fächer - Philosophie, Kognitionswissenschaften, Mathe, Informatik, Chemie und Kulturwissenschaften - studiert.
Ich bin gerade durch mein erstes Modul in der Fernuni durchgefallen - mit einer Hausarbeit. Dass ich durchgefallen bin, stört mich kaum, aber das wie stört mich sehr. Ich habe mir ein sehr großes und nahezu unerforschtes Thema für die Hausarbeit gesucht, habe eine durchaus experimentelle Hausarbeit geschrieben, in der ich mich verschiedener Theorien bediente, weil ich keine passende gefunden habe mit dem starken Verdacht, dass es keine passende gibt. Ich habe zu lange nach eben dieser Theorie gesucht und mir deutlich zu wenig Zeit für das eigentliche Schreiben gelassen. Die Hausarbeit ist zu kurz, allenfalls mäßig gut formuliert, beinhaltet noch Tippfehler und ich habe mich vom ausgehandelten Thema etwas entfernt, weil ich vor allem über die Grundlagen zum eigentlich abgemachten Thema schrieb. Für das abgemachte Thema musste ich mich auf irgendwelche Grundlagen beziehen, die es noch nicht gibt. Zudem fehlte mir die Zeit, mich noch tiefer in das Thema einzuarbeiten.
Dass eben dieses kritisiert werden würde, war mir klar und ist auch völlig okay. Was mich nervt, ist der Punkt, dass es in der Bewertung der Hausarbeit null darum geht, was ich erforscht habe. Denn ja, in der Tat habe ich ein Thema erforscht, dass es bisher als solches nicht gibt: der kulturelle Unterschied zwischen dem Dorf- und Stadtleben. (Dass es einen Unterschied gibt, ist recht offensichtlich, aber woran dieser nachgewiesen oder gar gemessen werden kann, dazu habe ich keinerlei Theorie gefunden.)
Nun ist es Ansichtssache, wofür die Uni genau da sein soll. Und offensichtlich habe ich eine andere Ansicht, als der Großteil der Mitarbeitenden aller Universitäten, an denen ich studierte.
Oft wird kritisiert, dass die Universitäten zu theoretisch und praxisfern sind. Das Erlernte helfe im späteren Job allenfalls minimal. Auf der anderen Seite wird auch oft kritisiert, dass Universitäten zu Masseneinrichtungen verkommen sind. Bachelor und Master wurden eingeführt, die Universitäten mit der Bolognareform verschult.
Ich glaube, ein Problem ist, dass Universitäten beides zugleich sein wollen: Masseneinrichtungen und Elfenbeinturm, Ausbildung und Wissenschaft. Beides schließt sich gegenseitig aus. Das ist das Dilemma der Universitäten. Es führt dazu, dass der Unialltag bürokratisiert wird. Es geht nicht darum, etwas erforscht zu haben, sondern darum, formale Anforderungen zu erfüllen. Akademische Texte sollen keinen Wissenszuwachs generieren, sondern Nachweise über erbrachte Arbeitsleistungen sein. Die Bewertung obliegt allein der Lehrperson. Neben der Bürokratie geht es folglich (zumindest in Teilen) darum, eine Arbeit zu produzieren, die dieser Lehrperson gefällt. Ein klassisches Schüler*-Lehrer*-Verhältnis. Ausbildung. Ich tue, wie es der*die Lehrer*in mir sagt.
Alles andere benötigt viel Zeit, die es in den Masseneinrichtungen nicht mehr gibt. Auf der anderen Seite halten die Universitäten ihre “Wissenschaft” hoch, ihren akademischen Habitus. Sie seien natürlich keine Massenausbildungen, sondern alle besonders renomierte Universitäten, die alleine das Wissen verwalten. Wer nicht dem akademischen Habitus folgt, kann auch keine Wissenschaft betreiben, kein Erkenntnisse hervorbringen. Ohne formal korrekte Zitationsweise, kann es keine Erkenntnisse geben.
Ich will nicht sagen, dass die Zitationsweise egal ist - ganz im Gegenteil. Ordentliches kenntlich machen, woher welche Erkenntnis stammt halte ich für sehr wichtig. Der akademische Habitus aber führt dazu, die Arbeiten von Ghostwritern in Auftrag geben zu lassen. Ich kann mir meine Arbeitsleistung erkaufen, von den Expert*innen, die genau so zitieren können, wie der*die Dozentin es haben will. Ein professionelles Lektorat für Hausarbeiten scheint inzwischen normal zu sein.
Lange fühlte ich mich an der Fernuniversität sehr wohl, weil mir dort dieser Habitus nicht begegnete, vermutlich durch den wenigen Kontakt zu Dozent*innen und Kommiliton*innen. Jetzt, wo ich nur noch Hausarbeiten und Bachelorarbeit vor mir habe, ist er wieder da und ich denke darüber nach auch das vierte Studium aus dem selben Grund abzubrechen.
Ich habe die letzten sechs Jahre, seit dem ich studiere wirklich viel gelernt. Vor allem, weil mich Dinge interessierten und ich diesen hinterher forschte; weil ich viel ausprobierte und mit vielen klugen Menschen viele kluge Gedanken austauschte. Das alles aber fast ausschließlich außerhalb der Uni. Die letzten sechs Jahre fühlte sich die Universität oft hinderlich an, bei dem Versuch tatsächlich etwas zu lernen oder zu erforschen.
Und jetzt werde ich weiter über Theorien des Improtheaters lesen, obwohl ich nicht weiß, ob ich die jemals in Creditpoints verwandeln kann.