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Die Sache mit dem Studium

- in: personal science

Ein Unternehmen würde es “in eigener Sache” nennen. Ich nenne es “post-privacy”. Es geht um mich.Lange wollte ich endlich studieren - dann endlich begann ich ein Philosophie-Studium in Freiburg und die ersten Zweifel kamen. Ja, Zweifel während des Studiums sind normal, sowie man immer mal wieder Zweifel bekommen wird - und muss. Wer nicht zweifelt, der denkt nicht.

Nach einem Semester, als mir eine geschrieben Prüfung nicht anerkannt werden konnte, weil ich mich zur Nachprüfung mit Daten anmelden hätte müssen, die in einem Brief gestanden haben, den ich nie bekam, habe ich das erste Mal ernsthaft darüber nachgedacht, mein Studium “hin zu schmeißen”. Kurz danach habe ich mich nach Alternativen umgesehen und wollte nach Berlin kommen. Schließlich habe ich mich hier beworben und wurde genommen - nur nicht in Philosophie, was ich eigentlich weiter machen wollte, sondern in Mathe und Informatik als Kombi-Bachelor. Ein Kombination, zu der es keine Studienordnung gibt - und man eben deshalb wechseln sollte.

Das wiederum wollte ich auch noch nicht, da ich zum Sommersemester (Bewerbungsfrist ist der 15.1.(!)) mich auf Philosophie als Hauptfach bewerben wollte (habe ich noch nicht und überlege gerade, ob der Aufwand lohnt) und ich dafür aber im Kombi-Bachelor bleiben sollte. (Die Empfehlung war, sich als Monobachelor für Mathe oder Informatik einzuschreiben).Seit dem studiere ich nur Informatik. Ich besuche alle Veranstaltungen der Mono-Informatiker (die ich als Kombi-Bachelor Nebenfach auch machen würde - aber eben nicht alle in einem Semester ;-) ), weil ich das prinzipiell spannend finde. Die Umsetzung ist allerdings wieder dieses Kleinkindhafte: “Löse diese Hausaufgaben zu nächster Woche. Du musst xzy% aller Aufgaben richtig lösen, damit du zur Prüfung zugelassen wirst”. Und es nervt mich. Ich will keine Aufgaben lösen, sondern lernen. Ich will Wissen erlangen, statt dumme Hausaufgaben zu erledigen. Nein, sie sind nicht vollkommen sinnlos, denn auch dabei kann man lernen - häufig lernt man (ich zumindest) aber genau nichts dabei, sitzt aber 10 Stunden an ein paar Aufgaben, um für eine Prüfung zugelassen zu werden, um ein paar Punkte zu bekommen, die Sagen, dass man dies nun kann. Ob das tatsächlich so ist, ist irrelevant.

Das nervt mich.

Und genau deshalb denke ich seit einigen Wochen wieder drüber nach, das Studium “hin zu schmeißen”. Hinzu kommt, dass ich nicht sehe, dass die Universität sich mit der Welt beschäftigt. Wir haben so viele Probleme in der Welt - aber ich sehe nicht, dass sie in der Uni angegangen werden. Das passt nicht in die Richtlinien. Ich glaube: “Börokratie fressen Uni auf”. Es geht doch nicht darum, “Punkte” zu sammeln, sondern darum, etwas zu lernen? Alle erbrachten Punkte bringen doch nichts, wenn man nichts gelernt, sondern gut abgeschrieben hat. Das “Plagiieren” ist natürlich verboten - aber wir alle tun es. Dauernd. Anders können wir den Anforderungen der Uni nicht gerecht werden. Niemals könnten wir das alles alleine machen - dafür ist die Arbeitszeit zu kurz. Ja, vielleicht sind wir alle faul und sollten mal “ordentliche 40 Stunden die Woche arbeiten!!11!1!”, vielleicht lässt sich lernen aber auch einfach nicht in Stunden messen. Wir sind nicht an der Uni um Arbeit zu leisten, sondern um zu lernen, Systeme verstehen, Wissen erlangen. Begreifen.Studere heißt auf Latein: sich bemühen. Es geht um das sich bemühen. Selbst machen, nicht Vorgaben bekommen und auswendig lernen. Und ja, auch mentale Arbeit strengt an. Natürlich kann man damit keine 40 Stunden konsequent durcharbeiten, sondern braucht Pausen. Wer das nicht versteht, hat die Idee des Studierens nicht verstanden.

Zurück zu mir. Ich habe das Gefühl selbst mit dem besten Willen an der Uni nichts erreichen zu können. Ich forsche gerne und erlange gerne neues Wissen. Ich bin der festen Überzeugung, Wissenschaft ist super - aber ich sehe nicht, wie sie in der Uni ordentlich umgesetzt wird. Oder wie mspro einst twitterte: “Das Internet ist meine Uni” Und ja, auch ich fühle so. Die größte Bibliothek, die wir haben, ist das Internet - und auch das schnellste. Nie waren Querverweise schneller als ein Link. Warum, aber ist all dies noch nicht in den Unis angekommen?Das sind meine offenen Fragen - hinzu kommt, dass ich gerade so viele wirklich wichtige Themen sehe, die so dringend behandelt werden müssen (wie gerade der Versuch von Google, das Internet zu übernehmen) und zu denen ich gerne arbeiten würde - aber stattdessen arbeite ich an Hausaufgaben. Das fühlt sich so falsch an.

Und damit bin ich mal wieder am Überlegen, mein Studium “hin zu werfen” und mir einen echten Job suchen, in dem ich an “echten Problemen” arbeiten kann - und zugleich einfach den unbürokratischen Zugang zu all dem Wissen bekommen kann, dass mich gerade interessiert. Vielleicht schaffe ich es auch dann, all die Bücher mal zu lesen, zu denen mich das Studium gerade nicht kommen lässt … (z.B. das Kapital von Marx oder die Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas).

An dieser Stelle stehe ich mal wieder und weiß nicht weiter. Und gucke mal, ob es sich gelohnt hat, die Gedanken zu veröffentlichen - und gute weitere Gedanken (von euch!) hinzukommen.

Kommentare

von: Robert

Für das Informatik-Studium (und andere technische Studiengänge) an den meisten Unis gilt leider:

Das Grundstudium ist meist sogar so viel Arbeit, dass man gar keine Zeit mehr für private Experimente hat, mit denen man den Spaß-Mangel ausgleichen könnte.

Jedenfalls kann ich gut nachfühlen, was du beschrieben hast. Auch ich stand mehrfach davor, das Studium hinzuschmeißen - besonders im Grundstudium. Das ist bedenklich, denn ich brenne eigentlich leidenschaftlich für die Informatik und bin inzwischen auf meine eigene Art ein Überflieger* (bei mir sind es die Leidenschaft und der Ehrgeiz statt überragende Intelligenz).

Wenn sogar *ich* diese Erfahrungen gemacht habe bzw. bestätigen kann, dann muss wirklich etwas kaputt sein. ;-)

* B.Sc.-Abschluss mit 21 Jahren (Studienbeginn mit 18) und sehr guten Noten

von: 9er0

Haha!

Danke für den Kommentar und die Anregungen. Ich schlafe nochmal eine Nacht drüber - und hoffe dann einfach, dass der FoeBuD meine Bewerbung annimmt: http://www.foebud.org/aboutus/foebud-sucht-campaigner-redakteurin-m-w-fuer-buergerrechte-datenschutz-und-netzpolitik/

Damit würde ich dann eine 24h-Stelle haben, sodass ich nicht mehr voll studieren könnte - aber vielleicht verleiht mir dies den entsprechenden Abstand, dass ich es wieder zum Studieren schaffe - und das auch “gerne” tue. Nur bin ich mir noch immer unsicher, ob ich wirklich Informatik weiter machen möchte - oder neben Philosophie, vielleicht nicht doch noch was anderes wähle. Möglicherweise mache ich noch Mathe dazu - aber auch da muss ich nochmal eine Nacht drüber schlafen.

Dir nochmal ein: DANKESCHÖN!

von: teiler

Hey, wollte nur sagen ich finde mich in deinem Text teilweise wieder. Auch ich bin mit hohen Erwartungen an die Uni (Master in Computer Science in Schweden) gegangen, so von wegen Ort des Wissens, Humbold’sches Bildungsideal etc. und wurde jäh enttäuscht. Das Studium wirkt auf mich verschult und altbacken. Bücher lesen, Aufgaben erledigen, Klausuren schreiben. Klausuren schreiben! In Funktionaler Programmierung! Aber eine Alternative zur Uni sehe ich nirgends am Horizint. Man muss halt das Beste draus machen.