Die Grünen haben gewonnen. Glückwunsch!
Atomkraftwerke werden abgeschaltet, Angela Merkel(!) betreibt internationalen Natur- und Klimaschutz. Die CO2-Emissionen sollen international begrenzt werden. Seit einiger Zeit gibt es einen Wandel bei den Grünen. Von der 1-Themen-Naturschutzpartei zu einer Volkspartei. Ein Vollprogramm haben sie schon lange - und gelten inzwischen auch als Gesprächspartner zu jedem Thema - nicht nur Umweltfragen oder Atompolitik. Die Frage ist aber, was für eine Aufgabe hat eine grüne Partei? Die “wofür”-Frage. Wofür braucht es ausgerechnet die Grünen?
Ich mag die Grünen und habe sie gewählt, (damals noch in BaWü, nach Berlin zog ich zu spät um auch hier wählen zu dürfen) und kann mir gut vorstellen sie auch wieder zu wählen. Sogar gearbeitet habe ich für sie, gerne. Ich halte die Partei insgesamt für sehr fähig und inzwischen auch ganz gut organisiert. Da wird gearbeitet, da entsteht Politik. Das finde ich gut.
Eines der neueren Themen bei den Grünen ist die Netzpolitik und ich bin der Meinung, die Grünen machen eine hervorragende Netzpolitik. Es ist allerdings nicht das Thema, was alle zusammenbringt, sondern eher eines, was von ein paar wenigen bearbeitet wird.
Anders ist das bei den Piraten. Da gibt es keine Netzpolitik, da alles im Netz stattfindet. Netzpolitik wird nicht mehr thematisiert, sie ist essentielle Arbeitsgrundlage. Ohne Netz geht nichts mehr. Sie sind die erste Partei, die es verstanden hat auf das Netz aufzubauen und es nicht nur zu integrieren. Dies ist natürlich leicht gesagt, denn die Grünen haben ihre Parteiarbeit aufgenommen und Arbeitsabläufe geschaffen lange bevor das Internet zu einem Massenphänomen wurde. Ihnen einen “Netzpolitk machen aber nur wenige”-Strick zu drehen ist unfug.
Ich frage mich, warum es zwei Parteien braucht, die um die selbe Gesellschaftschicht wahlkämpfen. Seit der Abgeordnetenhauswahl sind die Piraten “etabliert” und fangen seit dem ganz mächtig zu wahlkämpfen an. Da wird verbal gehauen und gestochen, dass man meinen könnte, nächsten Sonntag wäre Wahl. Gehauen und gestochen wird gegen alle “alten” Parteien. Die SPD hat zu ihrem Bundesparteitag ganz ordentlich ihr Fett weg bekommen - aber gerade die Grünen werden in einer Vehemenz attackiert, für die mir jedes Verständnis fehlt. Nun ist das natürlich mies von der ARD Bärbel Höhn gegen Christopher Lauer zum Thema Internet zu reden, wenn der (inzwischen twitterweit bekannte) Peter Altmeier noch daneben sitzt. Allerdings lassen sich auch die Grünen eher ungern die Brot vom Butter nehmen. Nun sind sie endlich groß, da kommen die Piraten und dampfen den Erfolg ganz gut zusammen. Es Rumort bei den Grünen, allerdings wissen sie aus der politischen Erfahrung heraus (die den Piraten noch fehlt), dass es noch dauert, bis die nächsten Wahlen kommen. Entsprechend vorsichtig wird zurückgeschossen. Man könnte meinen die Grünen wissen um ihre Anfangsfehler und warten darauf, dass die Piraten die selben wiederholen. Den Tweets aus dem Abgehordenetenhaus zu folge wird da auch ganz ordentlich gemeutert - und ob das 2 Jahre bis zur Bundestagswahl (die nächste wichtige Wahl) durchhält, wage ich von Zeit zu Zeit zu bezweifeln.
Nun bin ich noch immer parteilos (aus Gründen), aber netzpolitisch aktiv. Ich will die Integration, wie die Grünen die Netzpolitik gerade in ihrer Partei etablieren auf die Gesellschaft übertragen, wie die Piraten es schon haben. Ich frage mich aber immer wieder, warum man dies nicht gemeinsam tun kann. Warum braucht es zwei Parteien, die sich in weiten Teilen sehr ähneln, um sich gegenseitig die Suppe zu versalzen, statt gemeinsam für eine positive Zukunftsvision zu kämpfen?
Ja, es gibt ganz erhebliche Unterschiede, was die Frauenpolitik angeht. Die Grünen haben gefühlt schon immer eine Frauenquote. Die Piraten nicht einmal richtige Frauenpolitik. Es schwebt der Begriff “postgender” über den Piraten - wobei sie sich wohl auch bewusst sind, dass hinter den Rechnern doch Menschen zweier Geschlechter sitzen. Ich nehme die Piraten nicht als antifeministisch war - eher als krass utopisch, auch ohne Frauenquote Geschlechtergleichberechtigung herzustellen. Leider mangelt es noch an der konkreten Idee, wie man diese Utopie Wirklichkeit werden lassen kann. Neben der Geschlechter-Politik fällt mir allerdings auch kein anderes Thema ein, in dem die beiden Parteien sich fundamental unterscheiden.
In diesem Sinne würde ich gerne eine Verschmelzung beider Parteien sehen - für eine positive Zukunftsvision, mit der eingefahrenen, gut funktionierenden Struktur der einen und den (ein Stück weit) revolutionären Köpfen der anderen. Ich behaupte, das Ergebnis würde gut werden. Und ich würde (bestimmt) Parteimitglied werden. (Die Piraten mögen zwar eine doppelte Parteimitgliedschaft erlauben, die ist allerdings nicht viel wert, da die Grünen dies nicht tun *hint*.)
P.S. Ich habe mich hier sehr stark auf Netzpolitik bezogen, weil ich aus eben dieser Ecke komme. Und, weil ich Netzpolitik für essentiell halte, wenn es um die Zukunft geht. Nichts (auch keine Weltwirtschaftskrise) wird die Welt in den nächsten 25 Jahren so sehr verändern, wie die fortschreitende Technik. Und mit Technik haben sich seit jeher beide Parteien intensiv beschäftigt - wenn auch nacheinander.
Kommentare
von: korbinian
ich habe die grünen auch öfters gewählt bevor ich 2009 zu den piraten gekommen bin, sie war immer die partei der geringsten schmerzen für mich. erst in den letzten jahren bin ich aber drauf gekommen dass die grünen eigentlich überhaupt nicht (mehr?) meinem weltbild und meinem lebensstil entsprechen. inzwischen sehe ich sie als eher konservative, aber im gegensatz zur union weltoffene partei, die gerne dinge einschränkt und reglementiert. die piraten sehe ich als progressive, linksliberale partei, die möglichst viel individuelle freiheit anstrebt ohne so assozial wie die heutige fdp zu sein. wenn man sich die piraten anschaut fällt auf dass die allermeisten die vorher in anderen parteien aktiv waren aus der fdp kommen. witzigerweise ist aber die größte programmatische überschneidung mit der linkspartei da. folgerichtig sind linke-piraten bündnisse auch die bisher häufigsten. ich sehe die piraten von der ausrichtung her daher weniger in konkurrenz zu den grünen als zu fdp und linkspartei, auch wenn sich die wählerchichten stark ähneln. egal wie absurd es erscheinen mag: es gibt glaube ich ein großes wählerspektrum das sich nicht zwischen liberalismus und kommunismus entscheiden kann, und gut bei uns aufgehoben ist :)
von: Stadler
Das was Du beschreibst, lässt sich auf das Verhältnis SPD und CDU auch übertragen. Sie kämpfen in erheblichen Teilen um dieselben Wähler und unterscheiden sich in ihrer Grundhaltung kaum mehr, auch wenn einige Sozialromantiker noch etwas anderes glauben.
Mich persönlich stört eine größere Vielfalt in der Parteienlandschaft nicht und allein deshalb begrüße ich das Auftauchen der Piraten. Sie versetzen das Establishment, zu dem die Grünen längst gehören, in Unruhe und das ist gut und notwendig. All das wäre mit einem Schlag weg, wenn die Grünen und die Piraten sich zusammenschließen. Hast Du Dir mal überlegt, was bei den Grünen tatsächlich vom Bündnis90 übrig geblieben ist?
Die Grünen sind für mich die wichtigste politische Kraft in diesem Land in den letzten 30 Jahren und die beiden große Parteien mussten entscheidende Teile der Programmatik der Grünen übernehmen, um überhaupt mehrheitsfähig zu bleiben. Mittlerweile wirken die Grünen auf mich allerdings einen Tick zu selbstgefällig. Die Piraten bieten ihnen die Chance das wieder abzulegen. ;-)
von: isarmatrose
warum entfolgst du mich, wenn wir doch genau die gleiche meinung haben? ;-) das die piraten ahnung von netzpolitik haben, bestreite ich ja nicht, aber es gibt halt mehr im leben als netzpolitik, so wichtig das auch ist, so dass eine partei sich auch mit mehr themen beschäftigen sollte.
die piratenpartei hatte zwei jahre dafür zeit, der parteitag in offenbach hat aber gezeigt, dass sie das einfach nicht können. da gibt es sozialpiraten, denen ein bedingungsloses grundeinkommen wichtig ist und sich da ernsthafte gedanken zu machen, bevor es aber eine gefestigte und meinung mit begründung gibt, stimmt die partei lieber ab und gibt ihr ja zu einer sache, von der sie noch keine vorstellungen hat, wie das gehen soll. grund dafür ist dieses undemokratische system, dass jeder abstimmen darf, der da ist. susanne wiest hat diese schwäche genutzt und versucht nun über die piratenpartei, nachdem sie zweimal an demokratischen hürden gescheitert ist, ihre vorstellungen durchzusetzen.
diejenigen, die gerne eine andere politik machen wollen, können dies ja locker auch bei den grünen versuchen, wo eine vernünftige basisdemokratie betrieben wird. auch hier kann man etwas verändern und bewegen. und es war schon auffällig, wie viele durchaus vernünftige piraten in tweets und blogs über ausstieg nachgedacht haben. der parteitag hat vielen die augen geöffnet. ansonsten ein guter artikel. :-) bis denn, dann…
_von: Von Piraten und Revolutionen, Parteien und Nicht-Mitgliedschaften | Findling_ |
[…] in denen sich Machtstrukturen einfahren können – und die Partei zum Selbstzweck wurde, wie ich es den Grünen zum Teil vorwerfe, oder man auch sehr gut an der SPD sehen kann, die sich regelmäßig neue “soziale” […]
_von: Ich und das Atombombenexperiementierfeld Piratenpartei | Findling_ |
[…] Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Utopie “Größtmögliche Freiheit bei maximaler Chancengleichheit” – und das große Feld von “Technik und Gesellschaft”, das im politischen Alltag bisher nur bei den Piraten gelebt wird. (Auch wenn z.B. die netzpolitischen Beschlüsse der Grünen denen der Piraten in nichts nachstehen … aber das die Grünen mit dem Piraten zusammen gehen sollten, bloggt ich ja schon mal.) […]