Dieses Blog ist ein Stück weit ein offenes Tagebuch, in dem ich u.a. über meine Depression schreibe, vor allem aber über Strukturen, an denen ich versuche zu erkennen, wie das auf die Depression so einwirkt - und ich mache das öffentlich, weil ich davon ausgehe, dass es vielen Menschen ähnlich geht. Und zu sehen, dass es anderen Menschen ähnlich geht, bringt diese Menschen zusammen und manchmal können sie sich gegenseitig helfen.
In der letzten Zeit geht es mir (siehe mein letzter Blogpost) um meine Lebensform, die sich irgendwie vom “normalen Leben” unterscheidet - und ich irgendwie zum normalen Leben “zurück” will - und irgendwie nicht. In diesem Blogpost geht es mir darum, dass Hackingspaces kein zu Hause sind - und “wir Hacker” ein zu Hause brauchen und Kommunen bilden sollten. Und unsere Lebensform vielleicht auch zu unserem “normalen Leben” machen sollten.
In den Hackerspace-Design-Patterns steht u.a., dass mensch niemanden im Hackingspace wohnen lassen sollte. Und das ist auch gut so, denn ein Hackingspace ist zum Hacken da, nicht zum Wohnen. Andererseits ist das auch hoch problematisch, denn wo leben eigentlich Haecksen und Hacker? Irgendwo in ner kleinen Wohnung/WG vor ihren Rechnern verschanzt mit nem Tiefkühl-Pizza-Vorrat und für den Koffeinmagel auch mit nem Bett. Alles Haben ist (nach mspro) virtuell, der Kontakt zu Mitmenschen in der selben Wohnung und/oder Stadt sind häufig eingeschrenkt - die Kontakte werden ganz der Filtersouveränität nur mit den Menschen gepflegt, zu denen auch der Kontakt gewünscht ist. Das führt schnell dazu, dass alle wichtige Kontakte online gehalten werden.
Wenn ich mir mein Leben seit dem Abi 2009 angucke, habe ich ne Weltreise und 4 verschiedene (mehr oder weniger feste) Wohnorte hinter mir. Nirgends lebte ich länger als 9 Monate. (Berlin durchbricht die 9 Monate gerade … sogar in der selben WG). Und irgendwie war ich all die Zeit mehr oder minder in der selben Szene, der Hackingszene. Mein Freundeskreis hat sich in der Zeit relativ konstant aufgebaut, relativ unabhängig vom Ort, wo denn gerade mein Bett steht und wo ich denn “wohne”.
Weil wir uns selbst häufig von den Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung aus unterschiedlichen Gründen eher abkapseln, vereinsamen wir häufig - und (so behaupte ich) daraus entsteht dann unter Umständen eine Depression. Dazu kommen häufig Lebensentwürfe, wie Polyamorie und das Ablehnen von klassischen Geschlechterrollen und Familienbildern. Was ich ausdrücklich gut finde, aber der sozialen Interaktion mit anderen Menschen häufig eher abträglich ist - und sich die Haecksen und Hacker noch mehr in ihre eigene Welt zurück ziehen, in der soziale Interaktion auf Twitter mit #Flausch und *hug* wohl ihren Höhepunkt haben. Leider.
Mitfühlende Tweets sind super, können echte soziale Interaktionen aber nicht ersetzen. In Berlin gibt es inzwischen den Luxus, dass es hier so viele tolle Leute gibt, die auch einfach mal an der Tür klingeln, die Wohnung stürmen um den *hug*-Tweet im Meat-Space umzusetzen. Und: das ist super, klappt aber nicht immer. Schon gar nicht immer dann, wenn mensch es wirklich braucht. Hinzu kommt: je depressiver die Stimmung, je schwieriger ist es, sich Hilfe zu organisieren - oder gar zu anderen Menschen hin zu gehen, um die Einsamkeit aktiv zu unterbrechen. Wirklich hilfreich wäre es, wenn die Menschen, die sich derzeit auf Twitter/Jabber/IRC … gerade aktiv gegenseitig stützen einfach zusammen wohnen würden, damit sie für einander da sein können. Beim zusammen Wohnen sieht mensch deutlich leichter, wer gerade ernsthaft Hilfe braucht. Und das sollte nicht auf die 2er oder 3er WG beschränkt sein, sondern große WGs werden, damit Menschen sich wirklich unter einander stützen können - und immer irgendwer da ist. Ganz wie in dem Kommune-Gedanken der 68er-Generation. (Rainer Langhans hat das in den Elemantarfragen mal ganz gut dargestellt (neben vielem anderen))
Kommunen, wo unsere Lebensentwürfen akzeptiert sind und mensch sich zu Hause fühlen kann und Menschen für einander da sind, weil sie sich auch verstehen, weil sie aus der gleichen Subkultur kommen. Ich glaube, dass “wir” uns zu selten zu wenig Gedanken darüber machen, wo wir gerade wie wohnen. Wir brauchen ja nur ein Bett, Netz und ne gute Zug- und Flughafen-Anbindung. Zu Hause machen wir ja doch wenig - außer auf ein Gerät mit Netzanbindung gucken. Und das halte ich für ein Problem. Unser Zuhause muss keine exorbitanten Anforderungen erfüllen - aber es sollte voll mit Menschen sein, die wir gern haben - und nicht mit “irgendwem”, mit dem wir doch nichts zu tun haben, und dann “vereinsamen”, weil wir unsere guten Freunde nicht mehr im RealLife Treffen, wobei das so wichtig ist.
Diese Kommune, das Zuhause soll ein Rückzugsort sein - in das “wir” uns zurück ziehen können und aufgefangen werden. Wie dieses “uns” definiert wird, und wer da rein darf/soll, wird die jeweilige Kommune dann entscheiden. Vor gut ‘nem halben Jahr habe ich an dieser Idee mit einzelnen Leuten mal gesponnen, ist dann aber wieder runter gefallen. Dabei finde ich sie gut. Und halte sie für eine Beseitigung von vielen Problemen.
Super fände ich auch, wenn diese Nerd/Hacking-Kommunen dann auch ein Anlaufpunkt in einer anderen Stadt sind. Um auch in einer anderen Stadt ein “Zuhause” zu haben - so viel wie “wir” unterwegs sind. Ein bisschen wie ein Hackingspace, nur eben nicht zum Hacken, sondern zum Sein. Zum Leben. Zum Zurückziehen - und dabei dann sogar noch ein bisschen “überall”.
tl;dr: Hackingspaces sind Orte, wo (gemeinsam) an Projekten gehackt wird - und wo es ums Hacken geht. Lasst uns Kommunen bilden, wo wir für einander da sind und auch einen Lebensraum haben, wie wir ihn haben wollen. Und wo #Flausch nicht ein verbranntes Hashtag ist, sondern ein echtes für-einander-da-sein.
Kommentare
von: TollerMensch
Ein wesentliches PRoblem ist doch, dass du es mit einer sehr “eigenen” Community zu tun hast. Leichte bis schwere Soziopathen findet man schon in Hackerspaces genug, ähnlich würde es auch in einer Kommune aussehen. Wenn zu viele unterschiedliche Macken auf einem Ort sind, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis Reibereien entstehen, und gerade in Hackerspaces sieht man oft ja auch sehr spezielle Leute, die, was soziale Beziehungen angeht, eine sehr absolute Auffassung haben - einmal ein Fehler oder ein falscher Kommentar reicht aus, dass der Mensch nie mehr mit einem spricht.
Aber: Wieso fragst du nur, wieso es sowas nicht gibt, und wieso sowas niemand macht? Es ist nur organisatorischer Aufwand, sowas auf die Beine zu stellen. Geld findet sich dann über die Mitglieder der Kommune. Hackerspaces haben quasi auch mit der c-base in Berlin angefangen, und heute gibt es sie auf der ganzen Erde.
von: Gero
Klar gibt es Soziopathen in der Szene - und klar ist auch, dass zumindest ich mit denen nicht zusammen wohnen möchte. Wie ich mit relativ vielen Menschen nicht zusammen wohnen möchte. Aber aus diesem Grund war ja auch mein Vorschlag, dass die Kommune sich selbst finden muss - und selbst entscheidet, wer rein kommt und wer nicht. JedeR soll dann eben auch doch nicht rein.
Und der Blogpost war auch eher ein Aufruf - mal gucken, wie darauf reagiert wird. Und dann natürlich auch das Initiative ergreifen, wenn es sich anbietet - und wenn jemensch einen wirklich tollen Ort hat, wo man eine Kommune neu gründen könnte (in eine vorhandene WG einziehen funktioniert halt nicht), dann immer her damit! Und dann würde es sich “irgendwie” entwickeln …
von: Julian
Nachdem ich mir mal den Wikipediaartikel zum Thema Kommune als Lebensform durchgelesen habe, würde ich für mich spontan das Leben in einer Kommune ablehnen. Konsensprinzip, Plenen, “zeitaufwendiger Diskussionprozess”, der ganze formale und philosophische Überbau der klassischen Kommune ist mir zuviel. Ich möchte nicht jeden zweiten Tag den ganzen Abend das Zusammenleben ausdiskutieren müssen.
Dass depressiven Mitbewohnern in $Zusammenlebengemeinschaft geholfen werden kann, halte ich nur dann für möglich, wenn das Verhältnis stimmt, d.h., genug nicht-depressive da sind. Es fällt mir aber schwer, das Verhältnis in Zahlen zu packen, und mir kommt gerade ein Depri-WG-Bild hoch, was ja über einen längeren Zeitraum passieren könnte.
Es ist schön, mit anderen zusammen zu leben, zusammen zu kochen und zu essen, etwas zu spielen, whatever. Ebenso habe ich es zu schätzen gelernt, alleine in Ruhe zu kochen und zu essen, oder alleine Musik zu hören, sich nur darauf zu konzentrieren und sie zu geniessen.
Wie ich/man das alles unter einen Hut bringen sollen, das habe ich noch nicht herausgefunden, denn gefühlt bieten mir WGs/Kommunen zu wenig Rückzugsraum und Freiheiten.
von: Julian
Kleine Fehler oben: s/philosophische/ideologische/
von: Gero
Sry, aber ob DU in einer Kommune leben möchtest oder nicht, ist mir vollkommen kackegal. Und nein, ich brauche auch keine KommentatorInnen, die überall ihren Senf dazu geben. Das kann ich alleine. Mach das doch auf deinem eigenen Blog. Danke.