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Die Ausweispflicht im Netz – was für ein Quatsch!

- in: politics rant tech

Es gibt inzwischen einen e-Pass, einen e-Perso mit „elektronischer Autentifizierung“; es wird über die Vorratsdatenspeicherung debattiert und von Zeit zu Zeit hört man (zumeist Konservative) Politiker von einem „Vermummungsverbot im Internet“.

Die erste Reaktion ist zumeist „Geht ja mal gar nicht“. Nach etwas drüber nachdenken kam ich zu: „vollkommener Humbug“.

Aber warum eigentlich?

Das Internet wurde entwickelt um Informationen überall abrufbar zu halten – und mit anderen Informationen zu verbinden. Aus diesen ganzen Verbindungen ergibt sich dann das Netz - das Internet.

Warum darin aber ausweisen?

Mit Arendt würde ich argumentieren, dass es für die Öffentlichkeit wichtig ist, von wem welche Informationen kommen – um nachvollziehbar machen zu können, welche Interessen dahinter stehen. Diese Argumentation scheitert aber an der Technik. Eine Identifikation kann nie 100%ig sicher sein.

Jeder kann immer, überall was ins Netz stellen – da aber die meisten nicht so richtig mit dem Internet können, wird für dieses „ins Netz stellen“ Facebook verwendet. Facebook identifiziert grundsätzlich – vermeintlich.

Andere Nutzer schreiben Blogs, Twitter und andere Webseiten voll. Auch dies tun sie zumeist unter einer Identität. Diese Identitäten sind zumeist durch Passwörter geschützt, sodass niemand anders diese Identität benutzen kann um anderen Inhalt im Namen dieser Identität zu veröffentlichen. Die Passwörter sind unterschiedlich gut – aber klar ist, dass sie nicht unüberwindbar sind. Es handelt sich immer nur um eine Frage der verfügbaren Rechenpower und Zeit.

Bemerkenswert ist, dass dies äußerst selten passiert. Manchmal werden Fake-Accounts erstellt und die Medien damit gehackt (wie z.B. @muentefering ), aber das vorhandene Account übernommen werden und es nicht auffällt … da ist mir kein Fall bekannt. (Wer einen kennt, bitte in die Kommentare posten!).

Warum aber nicht? Wäre das nicht cool Obamas Twitter-Account zu haben? Oder zumindest den von Regierungssprecher Seibert?

Ganz einfach: es würde auffallen. Es gibt ja noch deutlich mehr Kommunikationswege als Twitter. Alle Personen, die ständig in der Öffentlichkeit stehen, haben auch ständig Medien um sich herum. Den könnte man schnell mitteilen, dass der Account nicht mehr unter der eigenen Kontrolle steht.

Ein „einfacher“ Account mit unter 500 Followern (wie ich es bin), ist einfach vollkommen irrelevant. Was genau sollte man denn mit meinem Account anstellen können? Genau. Vollkommen langweilig. Dafür lohnt die mühe nicht.

Und selbst wenn, hat doch jeder seine eigene Art zu schreiben und bringt andere Informationen „unters Volk“. Ein Cracker muss sich schon echt gut anstellen, dass dies nicht auffällt.

Anders sieht es allerdings aus, wenn es sich um mehr als ein „ich habe aber auch was zu sagen“-Format á la Twitter handelt. Wenn auf einmal der eBay-Account gehackt wurde und damit fremde Dinge gekauft und ersteigert werden.

Das geschieht auch nur äußerst selten, ist aber möglich. Hier hat die Bundesregierung eingesetzt und meint, dass man sich dafür doch mit dem ePerso ausweisen könne. Gut, dass der ePerso nicht sicher ist hat der CCC gezeigt. Aber wie genau sollte man denn sonst dafür sorgen, dass kein Schindluder damit getrieben wird?

Gar nicht. Das Internet ist eine Informationsverbreitungs-Maschine. Alles, was nicht der Informationsverbreitung dient, hat im Internet nur bedingt etwas verloren. Wem es wichtig ist, der kümmert sich selbst darum, dass die Informationen nicht weiter verbreitet werden. Wer das aber nicht kann – einfach nicht die Kompetenz besitzt (wie ich einer dieser nur bedingt kompetenten bin), sollte die Finger einfach davon lassen.

Das mag nun nach Internet-Öko anhören, ist aber ernst gemeint. Wer nicht auf eBay, Amazon und co verzichten kann, muss mit dem Risiko leben. Ein vollkommen abgesichertes Netz wird es nicht geben (können). Die Technik wurde nicht dafür entwickelt und wird auch nicht dafür verwendet.

Äußerst wichtig sehe ich, dass in dieser Diskussion klar ist, dass ein Staat nicht auf das Internet bauen darf, so lange es eine eindeutige Identifizierung benötigt. Der Kommunikationspartner ist nur wirklich sicher, wenn er mir gegenübersteht – und dies wird sich auch nicht ändern. Wer also davon schwärmt, seine Ämterbesuche aufs Netz zu verlagern, sollte sich darüber Gedanken machen, wie er sich ausweisen wollte, wenn seine online-Identität jemand anderes hat und er selbst die Menschen vom Amt nicht mehr kennt. Warum sollte ihm das Amt dann mehr glauben, als seiner (Online-)Identität?

Was Zwischenmenschliches angeht, bin ich der Meinung, dass das Internet nur erweiternd wirken kann – es kann das Treffen „im realen Leben“ einfach nicht ersetzen. Dafür ist jede Kommunikation über Netz zu begrenzt. Übers Netz kann man wen anders einfach nicht riechen – egal wie sehr man sich darum bemüht. (Und ja, wir kommunizieren (unterbewusst) auch über Gerüche.)

Wenn aber klar ist, dass das Internet nur ein „Zusatzkanal“ der Kommunikation (sowohl mit den Massen, wie auch mit dem Einzelnen) ist, sollte sich auch die Frage stellen, in wie weit Kommunikation eigentlich gefährlich werden kann. Wer anführt, dass gehackte Bankkonten ohne Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeklärt werden können, der sollte grundsätzlich überlegen, wie weit die Identität überhaupt im Netz für die reale Person stehen soll. Warum können wir Überweisungen nicht mehr am Schalter machen? Der allgemeine Stress hat zugenommen und wir alle versuchen alles so schnell wie möglich zu erledigen – und Online-Banking geht schneller als zur Bank zu laufen. Aber ist das die Welt, die wir wollen? Dass uns der Neoliberalismus diesen Stress gebracht hat und einer schneller ist, als der andere, mag dazu führen, dass wir uns alle selbst aufgeben. Wissen wir das?

Nun gleitet meine Argumentation in eine Kapitalismuskritik, um die es nicht gehen sollte. Dazu blogge ich ein anderes mal. Ich bin gespannt auf Kommentare.