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„Öffentlichkeit“- auf dem Netzkongress der Grünen

- in: politics science society

Vor einer Woche habe ich über Hannah Arendt und den unterschied zwischen „Öffentlichkeit“ und mangelnder Privatsphäre gebloggt.

Dazu gibt es nun ein Update. Mit mspro habe ich mich zu einer kleinen Session auf dem Barcamp beim Netzpolitischen Kongress der Grünen verabredet.

In der Session (dabei waren neben @mspro, auch @rka, @jensbest, @elicee, @herrurbach, @gedankenstuecke) haben wir kurz über Hannah Arendt selbst gesprochen und ihre Unterscheidung zwischen dem „Erscheinungsraum“ und der „Öffentlichkeit“. So ist der Erscheinungsraum nur das Zusammentreffen von Menschen. Wenn zu dem Zusammentreffen der Menschen aber noch ein politischer Wille kommt, entsteht Macht. Diese Macht sorgt dafür, dass aus dem „Erscheinungsraum“ eine „Öffentlichkeit“ wird.

Die Feminismusbewegung sprach dem „Privaten“ ab, nicht politisch zu sein. Also auch jede private Mitteilung sei auch (in einem gewissen Grade) politisch.

Im Privaten, so behauptet es ein Teil der Feminismusbewegung, werden Frauen unterdrückt und deshalb müssen diese Privatsphäre aufgehoben werden. Wie genau ich dazu stehe, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Diese These hat auch mspro eingenommen und sieht eben in jedem privaten Gespräch auch einen politischen Aspekt – und damit die Ausweitung des „Öffentlichen“ auf den gesamten „Erscheinungsraum“.

Das führt nun dazu, dass die Privatsphäre immer weiter zurück gedrängt wird und sich schließlich auflösen wird. Und schon heute haben wir eine Gesellschaft, die Profil verlangt. Es ist gut, auch Fehler zu machen und diese müssen nicht mehr verheimlicht werden. Die Gesellschaft gewöhne sich daran, dass jeder Fehler macht und die inzwischen auch nicht mehr verheimlicht werden können. Zumal man ja zu den Fehlern stehen soll, denn damit gibt man diese zu und kann dafür nicht mehr angegriffen werden.

ie Technik schreite voran und ermögliche immer neue Möglichkeiten der Informationsverarbeitung und -zusammenführung. Jeder Kampf dagegen sei nutzlos, da Internet sich nicht an Staatengrenzen hält und damit ein Nationalstaat alleine nichts dagegen bewirken kann.

Das wiederum eine Regelung in der UN getroffen werde, ist auch recht unwahrscheinlich. So könnten wir auch gleich den Kampf aufgeben und uns dem „CTRL-Verlust“ hingeben.

Dazu kommt, so mspro, dass selbst wenn es in allen Staaten der Welt gleich geregelt wäre, so wird es noch immer technische Möglichkeiten geben, Schadsoftware zu bauen (etwa das „Gaydar“, dass Facebook-Accounts auf ihre Freunde überprüft und darüber raus bekommen will, ob der User schwul sei oder nicht. Diese Programm existiert und hat eine sehr hohe Treffsicherheit.).

Ich beschreibe das ganze nun als „Schere“ zwischen der Technischen Möglichkeit und der Gesellschaftlichen Akzeptanz. Mspro behauptet, dass die Gesellschaft sich wandelt und es irgendwann einfach egal ist, was ich wann wie wo gemacht habe.

Der andere Scherbalken wäre, dass die Technik so datenschutzfreundlich wird, dass die Gesellschaft nicht alles zu wissen bekommt.

Für möglich halte ich aber auch, dass die Schere zerbrechen wird und nur die, die selbstbewusst genug sind, die Daten zu veröffentlichen und dazu zu stehen. Dann würde sich die Gesellschaft teilen. Ein Teil, der damit umgehen kann und ein Teil, der das nicht kann.

So jedenfalls habe ich gerade versucht meine Gedanken zu ordnen. Mit ein wenig mehr Zeit zum darüber nachdenken, werde ich mich wohl nochmal dazu äußern.

Kommentare

von: Andreas

Mal unabhängig vom Inhalt: Die Menschen haben doch Namen, ich find es persönlich sehr nervig, wenn Leute beim Twitter-Account personifiziert werden. Face2Face fast noch schlimmer (wenn die Leute es so wollen ists natürlich jedem frei gestellt, aber irgendwie find ichs selbst trotzdem doof).

von: 9er0

Hi Andreas! Ja, die Menschen haben Namen. Aber mspro ist nunmal wesentlich bekannter unter “mspro” als unter Michael Seemann. Von den anderen weiß ich teils nichtmal die Namen, sondern eben nur die Twitteraccounts. Und ich glaube, es ist auch in Ordnung so. Finde ich jedenfalls.

von: Andreas

Ja klar, die Welt wird nicht unter gehen davon ;) Gut, da würde ich dann ggf schreiben, besser bekannt als mspro, oder sowas. Ist ja auch nur meine kleine Macke vielleicht ;)

von: Jens

Hallo 9er0! Wenn ich mich nicht tauesche - ich muesste es bei Hannah mal wieder genauer nachlesen - dann sollte das Private nie oeffentlich werden, weil das nur in totalitären Systemen geschieht. Denjenigen, die die Oeffentlichkeit suchen ist es egal (Berlusconi z.B.) aber nicht denjenigen die im Privaten bleiben wollen - oder halt anonym in der Oeffentlichkeit publizieren.

von: Jens

Hannah bewunderte ja John Adams. Adams sagte sinngemäß, dass es nichts erstrebenswerteres gaebe, als in der Oeffentlichkeit “bewundert” zu werden. Das mag so sein, aber heute ist es ja auch existentiell fuer einge, da sie von den Publikationen leben oder mal spaeter Karriere machen wollen. die Frage ist also, warum sucht jemand DIE Oeffentlichkeit? Wobei es DIE Oeffentlichkeit wohl gar nicht mehr gibt, sondern viele Sub-Oeffentlichkeiten.

von: 9er0

Nach Arendt ist Öffentlichkeit das Zusammentreffen von Menschen - UND das Zustandekommen von Macht. Macht entsteht, wenn Menschen sich gemeinsam ein politisches Ziel setzen.

In der Feminismusbewegung gibt/gab es Forderungen, dass jede Privatsphäre aufgehoben wird, weil es Raum für die Unterdrückung der Frauen gibt. Daraus entstand dann die Idee, dass jede Tätigkeit (wie der Umgang von Mann und Frau miteinander) eine politische ist. Das greift auch mspro auf und argumentiert damit, dass es keine “rein privaten Tätigkeiten” gibt.

Und zu meist handelt es sich garnicht um die “Öffentlichkeit”, sondern um einen Erscheinungsraum. Denn wenn Menschen zusammenkommen - ohne politisches Ziel - handelt es sich nicht um einen “Öffentlichen Raum” sondern nur um einen “Erscheinungsraum”. Das jedenfalls sagt Arendt.

von: Gedankenstücke

Ein kurzes Fazit vom Netzpolitischen Kongress…

Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte für die letzten beiden Tage zu ihrem Kongress zu Netzpolitik in den Räumen des Paul-Löbe-Haus geladen und zusammen mit dem bezaubernden Herrn Urbach habe ich mich auch auf den Weg dahin gemacht. Und eigentlich ka…

von: Jens

Damit (Daraus entstand dann die Idee, dass jede Tätigkeit … eine politische ist. Das greift auch mspro auf und argumentiert damit, dass es keine “rein privaten Tätigkeiten” gibt.) bin ich einverstanden. Trotzdem gibt es eine privaten “Raum” der geschützt sein muss vor der Öffentlichkeit.

Ich habe gestern Abend noch mal den 7. Abschnitt der Vita Activa gelesen. Mich irritiert der Begriff “Erscheinungsraum”. Den kenne ich bei ihr so nicht. Sie spricht dort nur vom Raum des politischen oder halt den privaten Bereich. Hast du da einen Hinweis für mich?

von: 9er0

@ Jens:

Im 5. Kapitel “Das Handeln” in Vita Activa gibt es den Paragrafen 28. Dieser nennt sich “Der Erscheinungsraum und das Phänomen der Macht”.

In der Piper-Ausgabe beginnt der Paragraf auf Seite 251.

Ich gebe dir vollkommen recht, dass es einen gewissen Bereich geben muss, der “Privat” ist. Wenn wir aber jede Tätigkeit als eine politische sehen, weiß ich nicht, wo grundsätzlich die Linie zu ziehen. Wo ist nun Öffentlichkei und wo Privatsphäre? Mir fehlt da eine Definition. Wobei ich mir auch nicht sicher bin, ob ich tatsächlich jede Tätigkeit als eine politische Ansehe. Alice Schwarzer meint zwar auch in das Privatleben einer jeden Frau hineinzueilen um ihr zu erklären, wie sich diese zu verhalten hat … aber ich bin zu wenig in der Gender-Debatte integriert, als dass ich da nun ein Urteil drüber fällen möchte.

von: Jens

Danke, habe ich nachgelesen. Ist mir nach 4 Jahren entfallen, weil der Begriff mir bei Arendt wohl nicht so wichtig war.

Hier noch ein link zu unserer Diskussion:

http://laprintemps.blog.com/2010/11/24/arendt-und-privatssphare/

_von: Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter Herr Urbach bloggt_

[…] hat, „Öffentlichkeit“ zu definieren und die Grenze zum Privaten zu ziehen. Darüber hat @9er0 schon gebloggt und ich habe es leider nicht vorher geschafft, meine Gedanken dazu zu Papier zu bringen. Schon vor […]